Pieps, erschöpft von der Reise und den vielen neuen Eindrücken des Meeres, sank im Sand in einen tiefen Schlaf. Er hatte sich direkt am Rand des Lagerplatzes eingerollt, wo die Menschen Kisten und Fässer abgeladen hatten.
Zur selben Zeit kämpfte sich Mina, die Sandläuferin, durch die spärlichen Küstenbüsche. Ramiro hatte sie geschickt, weil Pieps den schwierigen Weg durch die Schlucht vermutlich nicht alleine bewältigen würde. Die ganze Nacht hatte Mina nach ihm gesucht, denn Ramiro hatte Sorge, der kleine Abenteurer könne auf sich gestellt in Gefahr geraten.
Mina war erschöpft von der langen Nacht. Die Sonne war gerade aufgegangen, und alles um sie wirkte still – nur der weiche Wind im Dünengras bewegte sich.
Am Rand des Lagers entdeckte sie den Jungen, der auf einer Kiste schlief – und direkt neben ihm den großen, grauen Kater.
Die Katze war wachsam und gefährlich. Sie schlief zwar gerade, aber sie war viel zu nah an Pieps, und Mina wusste, dass jeder Moment, den Pieps hier verbringen würde, riskant war.
Der Weckruf
Mina schlich sich so nah heran, wie sie es wagte. Der Kater durfte nicht aufwachen.
Dann flüsterte sie heftig:
„Pieps…? Pieps, wach auf! Sofort!“
Mina hatte ihn noch nie zuvor getroffen, doch die Panik riss ihr die Worte förmlich aus der Kehle.
Pieps zuckte zusammen, seine kleinen Beine zappelten verwirrt.
„Was… was ist denn los? Sind die Schiffe—?“
„Keine Fragen!“, fauchte Mina mit kaum hörbarer Stimme. „Der Kater wird gleich wach. Du darfst hier nicht schlafen! Aufstehen – jetzt!“
Sie packte ihn am Ärmel seines kleinen Jacketts und zog ihn mit sich. Sie rannten nicht, aber sie bewegten sich schnell und geduckt durch den weichen Sand – weg von den Kisten, weg von der Gefahr.
Erst im Schutz des hohen Dünengrases ließ Mina ihn los. Sie presste sich in eine sandige Mulde unter knorrigen Wurzeln. Von hier aus konnten sie den Lagerplatz überblicken, ohne selbst gesehen zu werden.
„Schau dorthin.“ Ihre Stimme zitterte. „Der Junge und sein Kater. Dieser Kater ist ein Jäger, Pieps. Ein gefährlicher Jäger. Wir bleiben hier, bis die Sonne untergeht. Versprich mir, dass du hierbleibst. Egal, was passiert.“
Pieps nickte nur.
„Ich verspreche es, Mina“, sagte er – doch in seinem Bauch lag ein Knoten, der sich nicht löste. Die Kisten, die Gerüche, die Neugier… sie zogen ihn magisch an.
Mina hingegen konnte nicht länger wach bleiben. Die Müdigkeit übermannte sie, und wenig später schlief sie tief und fest.
Zu nah
Pieps hockte im Versteck. Der Junge… die Kisten… die seltsamen Dinge der Menschen…
So gern hätte er alles aus der Nähe gesehen.
Aber er hatte es Mina doch versprochen.
Und denoch… Mina schlief. Sie würde es nie erfahren.
In diesem Moment war Pieps’ Entscheidung gefallen. Jetzt oder nie.
Langsam kroch er aus dem Versteck, so vorsichtig, wie er nur konnte. Sein Herz klopfte schneller und schneller, doch die Neugier trieb ihn voran. Zentimeter für Zentimeter schlich er sich den Kisten entgegen.
Der Junge und der Kater schliefen noch auf einer Kiste. So nah. So unglaublich nah.
Die Jagd beginnt
Mit einem plötzlichen Rascheln im Gras änderte sich alles.
Pieps zuckte zusammen und blickte instinktiv zur der Kisten – doch dort lag der Kater nicht mehr.
Bevor er das Geräusch deuten konnte, schoss die graue Katze mit einem scharfen, bedrohlichen Laut aus dem hohen Gras hervor. Lautlos hatte sie sich herangepirscht und Pieps’ Missachtung der Regeln beobachtet.
Sie landete direkt vor ihm.
Ein Schlag mit der rechten Pfote – Pieps erstarrte. Nicht vor Schmerz, aber von Angst der im in dem Moment überwältigte.
Ein zweiter Schlag, mit der linken – spielerisch, wie mit einem Katzenspielzeug.
Als ob die Katze mit ihm spielen wollte
Pieps dachte nicht nach. Er riss sich los und rannte. Doch der Kater war schnell. Viel zu schnell.
Immer wieder versperrte er Pieps den Weg, sprang auf Kisten, lauerte, schlug nach ihm. Pieps huschte zwischen Holz und Schatten hin und her, doch überall tauchte die graue Pfote wieder auf.
Schließlich fand er eine schmale Lücke zwischen zwei Kisten, kroch hinein und duckte sich. Eine Falle – aber eine, die ihm einen Moment zum Nachdenken verschaffte.
Der Kater fauchte und versuchte, ihn herauszuangeln.
Pieps wusste: Lange würde er hier nicht sicher sein.
Als der Kater kurz ruhiger wurde, fasste Pieps Mut.
Jetzt oder nie.
Er schoss aus seinem Versteck hervor. Er rannte, bog ab, rannte weiter.
Jeder Richtungswechsel gab ihm ein kleines bisschen Vorsprung, aber die Katze holte diesen Vorsprung mit einem einzigen Sprung wieder ein. Immer wieder landeten ihre Pfoten direkt vor ihm im Sand.
Mit der Zeit wurde Pieps langsamer. Viel langsamer. Dann stolperte er – und fiel.
Sofort lag die schwere Pfote des Katers auf seinem Rücken. Die Welt wurde eng, grau, furchteinflößend.
Pieps Gedanken flüchteten zu seiner Mutter, seinen Geschwistern. Erinnerungen, die ihn schwächten, statt ihm Kraft zu geben. Er versuchte zu schreien, doch es kam nur ein leises Wimmern.
Der Jäger der Lüfte
Ein großer Schatten glitt lautlos über den Sand und blieb für einen Augenblick direkt über dem Kater stehen.
Pieps erkannte die Silhouette sofort: den Jäger der Lüfte, den dunklen Vogel, den er schon einmal gesehen hatte.
Der Kater bemerkte die Gefahr allerdings zu spät.
Mit einem durchdringenden Schrei stürzte der Vogel herab. Seine Krallen trafen den Kater mit voller Wucht.
Der Kater brüllte auf, stolperte zur Seite und ließ Pieps frei. Jetzt war der Jäger plötzlich zu Gejagten.
Fauchend drehte sich die Katze um, bereit, den nächsten Angriff abzuwehren.
Der Vogel stieß erneut herab.
Chaos.
Staub.
Gefieder gegen Krallen.
Und mitten darin: Pieps – frei, aber noch längst nicht gerettet.
Die Nacht war still und friedlich gewesen, hoch oben in den Ästen des alten Baumes. Pieps hatte sich dort ein kleines Nest aus Moos gebaut. Doch so richtig wohl fühlte er sich trotzdem nicht. Der Wind strich kalt durch die Blätter, irgendwo quietschte leise ein Ast wie eine schlecht geschmierte Tür, und das Echo hallte unheimlich durch die Felsen ringsum.
Zum Glück spannte die leuchtende Spinne, die in diesem alten Baum wohnte, ihr Netz ganz in Pieps’ Nähe. Die feinen Fäden glimmten im Dunkeln wie winzige, perfekt aufgereihte Feenlichter und hüllten den Schlafplatz in ein sanftes, geborgenes Licht. Pieps kuschelte sich tief in sein Moos.
Er dachte an zu Hause – an das Zimmer seiner Mutter. Er erinnerte sich, wie er als ganz kleiner Mäuserich große Angst vor der Dunkelheit hatte, Angst vor den Schatten, die sich an der Wand bewegten. Seine Mutter hatte ihm immer Mut zugesprochen und jeden Abend die kleine Osterglocken-Laterne auf seinen Nachttisch gestellt. Ihr warmes, gelbes Leuchten war sein Schutzschild gewesen. Dieses vertraute Licht, diese kleine Portion Heimatsicherheit, fehlte ihm hier sehr.
„Fast wie daheim…“, murmelte Pieps, als er in das leuchtende Spinnennetz blickte, dessen Licht der Osterglocken-Laterne so ähnelte. Mit diesem tröstenden Gedanken schlief er ein – ruhig, warm und sicher, als läge er in Mamas Zimmer.
Das Schwere Moment
Der kalte, gemeine Morgen Der Morgen jedoch war weniger freundlich. Er war ein Morgen, den sich ein Eiszauberer ausgedacht hatte. Die feuchte, kühle Luft der Schlucht kroch Pieps durchs Fell wie ein neugieriger, böser Geist. Die ersten Sonnenstrahlen blieben hoch oben an den Felsen hängen, als hätten sie Angst vor dem Abstieg. Pieps gähnte, schüttelte sich und rieb sich die kalten Pfoten.
„Brrr… das ist kein Wetter für eine Maus!“, quiekte er leise, aber dann grinste er tapfer. Dieses Grinsen hielt allerdings nur für etwa zehn Minuten.
Der Pfad war schmal, hart und rutschig. Er war keine Wegstrecke, er war eine gemeine Riesenrutsche, die Pieps unaufhörlich zu Fall bringen wollte. Flink schulterte er seinen winzigen Rucksack. Zuerst ging es bergauf, dann steil abwärts, und an manchen Stellen musste er sogar schwierig klettern wie ein kleiner Spiderman im Fellanzug.
Hunger als gnadenloser Beifahrer Doch die Situation wurde von Minute zu Minute dramatischer. Die Kälte biss sich fest. Und dann kam der Hunger. Der Mangel an Nahrung wurde zu einer körperlichen Last, die schwerer wog als sein ganzer Rucksack. Erst gegen Mittag spürte er, wie leer sein Bauch war. Sein Magen knurrte nicht mehr, er brüllte! Er klang wie ein wütender Frosch im Frühling, der seinen Regenschirm verloren hatte.
Pieps setzte sich erschöpft auf einen spitzen Stein, öffnete seinen Rucksack – und seufzte, ein Seufzer, der die ganze Schlucht füllte. „Oh nein… fast leer!“ Es war keine Mahlzeit mehr, es war die Beerdigung für drei Krümel und einen rosinengroßen Rest. Die Krümel verschwanden in einem Haps. Da wurde Pieps mit voller Wucht klar, wie ernst seine Lage wirklich war.
Zurückgehen? Unmöglich. Der Weg war zu weit, und seine Osterblumen-Laterne war schon lange ausgegangen. Also blieb nur eine Richtung: nach vorn!
Die schwersten Stunden Seine Pfoten pulsierten jetzt wie zwei beleidigte Gummibälle. Die Kälte hatte sich in seinen Knochen häuslich eingerichtet, und seine Beine fühlten sich an wie zwei kleine Betonstangen. Jeder Atemzug brannte in seiner Brust. Manchmal hatte er das Gefühl, die Felsen würden ihn verspotten: unbeweglich, kalt und endlos zynisch.
Einmal stolperte Pieps über einen Stein und blieb einfach liegen. Der Hunger und die Kälte machten ihn schwindlig, und er spürte, wie ihm die Augen zufielen.
„Nur kurz ausruhen…“, dachte er.
Aber dann kam ihm blitzartig das Bild seiner Mutter in den Sinn. Ihre Stimme hallte in seinem Kopf, laut und klar: „Pieps, du bist stärker, als du denkst! Du bist unser kleiner Mause-Held!“
Er rappelte sich auf, atmete so tief durch, dass sich sein Fell aufplusterte, und flüsterte:
„Pieps Nur noch ein Schritt.“
Und so ging er weiter – müde, frierend, aber mit einem winzigen Rest Hoffnung, der in seiner Brust glomm wie die Erinnerung an eine kleine, warme Laterne.
Die Erlösung und das Blaue Wunder
Der schmerzhafte Augenblick der Freiheit Und dann – ZACK! – hinter der nächsten, unscheinbaren Biegung – blieb Pieps wie angewurzelt stehen.
Die Schlucht war einfach weg!
Die dunklen, unfreundlichen Felswände lagen plötzlich hinter ihm, und vor ihm öffnete sich eine weite Fläche. Das helle, warme Licht traf seine Augen wie ein Schlag und zwang ihn, sich abzuwenden. Es war zu viel, zu schnell. Nach zwei Tagen im Schatten der Schlucht war dieser ungefilterte Glanz fast schmerzhaft.
Pieps kniff die Augen zusammen und tastete sich langsam vor. Erst dann, als sich seine Pupillen weiteten, begriff er den Sieg: Das Grün leuchtete so hell, dass es in den Augen weh tat (auf eine gute Art!). Der Wind duftete nach Gras und tausend Blumen. Über ihm spannte sich ein grenzenlos blauer Himmel, der aussah, als hätte ihn jemand frisch geputzt.
„Ich hab’s geschafft!“, schrie er leiser als erwartet, sank keuchend ins hohe Gras und lachte dann doch, bis seine Backen schmerzten. Er fand ein paar süße Körner und Beeren und stopfte sich die Backen voll, bis seine Wangen aussahen wie zwei überfüllte Sofakissen. Es schmeckte nach Leben, nach Sonne, nach einem riesigen Sieg! Zum ersten Mal seit Langem fühlte er sich frei.
Die gefährliche Entdeckung, vor lauter Freude merkte Pieps gar nicht, dass sich die Wiese sanft nach unten neigte. Hinter einem kleinen Hügel glitzerte etwas. Erst dachte er, es wäre ein riesiger Teich – doch das Blau war viel zu groß, zu weit, zu hell.
Er ging ein paar Schritte, blinzelte und blieb stehen.
„Das… das ist doch kein Himmel, der auf die Erde gefallen ist!“
Vor ihm lag das Meer – eine gigantische, funkelnde Fläche, die so weit war, dass sie sich am Horizont mit dem echten Himmel verband. Das Licht tanzte auf den Wellen wie Tausende von Diamanten, und der Wind roch nach Salz, Freiheit und Abenteuer. Pieps stand da, sprachlos, überwältigt.
„So viel Blau hab ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen…“, flüsterte er. Er war angekommen – am Ende der Schlucht, am Anfang von etwas ganz Neuem.
Der Höhepunkt: Azaleas Warnung und der Anker Doch in diesem Moment purer Freude erstarrte Pieps. Sein Blick fiel auf einen dunklen Punkt in der Ferne, der über die glitzernde Wasserfläche glitt. Langsam wurde er größer. Zwei schlanke Masten ragten in den Himmel, und weiße Segel blähten sich im Wind.
Ein Schiff!
Sein Herz machte einen Salto, aber nicht vor Freude, sondern vor Panik.
Azaela, die große Gottesanbeterin, die auf diesen Schiffen mitgereist war und fast ganze Welt schon gesehen hatte, hatte ihn mehrmals gewarnt. Sie hatte von den unfreundlichen, gefährlichen Menschen erzählt, die diese Schiffe steuern. Ihre Stimme hallte in seinem Kopf: „Wenn du dort etwas Weißes siehst, etwas, das Flügel hat, aber nicht fliegt – renn! Es bringt immer Ärger. Es ist die Ankunft von… den Anderen.“
Das Schiff kam näher – majestätisch, geheimnisvoll, und in Pieps’ Augen jetzt bedrohlich. Die weißen Segel wirkten wie hungrige Gespenster.
Pieps’ Herz hämmerte gegen seine Rippen wie ein gefangener Trommler. Er musste sich an Azaelas wichtigste Regel halten: Lass dich auf keinen Fall finden. Doch die Neugier, diese furchtbare und doch sieghafte Neugier, überwältigte seine Angst. Er hatte es bis zum Meer geschafft, er wollte sehen, was Azaela gemeint hatte. Er wollte die Landung der Anderen beobachten.
Er huschte durch das hohe Dünengras, das dort begann, wo die Wiese endete, und robbte auf den Bauch. Er kroch so nah an den Strand, wie er sich traute, aber blieb verborgen, in sicherer Entfernung, und starrte auf das immer größer werdende Segelboot. Er konnte jetzt das Knarren des Holzes hören, das leise Wummern der Wellen und – ja! – ferne Stimmen.
Die Angst und die Erschöpfung des Tages schlugen jetzt gnadenlos zu. Pieps wollte wach bleiben, wollte sehen, wie sie von Bord gingen, doch seine Augenlider wurden schwer wie Blei. Er kämpfte, aber die Dunkelheit zog ihn hinab.
Mit dem letzten Fünkchen Bewusstsein spürte er, wie der Schatten des Schiffes immer länger wurde, fast bis zu seinem Versteck reichte. Das Schiff hatte geankert. Es war da. Es wartete. Und mit dem Bild des weißen Segels vor seinem inneren Auge – schlief Pieps, der Maus-Held, ein.
Die Ankunft der Sandläuferin Pieps, erschöpft von der Reise und den vielen neuen Eindrücken des Meeres, sank im Sand in einen tiefen Schlaf. Er hatte sich direkt am Rand des Weiter lesen...
Die Nacht war still und friedlich gewesen, hoch oben in den Ästen des alten Baumes. Pieps hatte sich dort ein kleines Nest aus Moos gebaut. Doch so richtig wohl fühlte Weiter lesen...
Pieps wachte auf. Er war müde von dem gestrigen, langen Weg durch das Grasmeer, doch der neue Tag brachte eine leichte, hoffnungsvolle Wärme. Langsam stand er auf und bereitete sich Weiter lesen...
Die unerwartete Begegnung Doch Pieps’ Hoffnung, dass das Kratzen und Zischen aufgegeben hätte, verflog, als die Stille durchbrochen wurde. Es klopfte leise an seine Tür. „Schläfst du, Pieps?“, flüsterte eine Weiter lesen...
Der Morgen am Waldrand Pieps erwachte genau dort, wo ihn die Müdigkeit am Abend zuvor überwältigt hatte. Die Sonne kitzelte seine Nase, und die Luft roch kühl und würzig nach Weiter lesen...
Nachdem die Höhle von dem unheimlichen Wesen besetzt schien, ging Pieps weiter, um einen Platz für die Nacht zu suchen. Es war schon dunkel. Die Wolken, die am Nachmittag aufgezogen Weiter lesen...
Ein kalter Tropfen glitt über Pieps’ Nase und kitzelte ihn wach. Blinzelnd öffnete er die Augen. Über ihm spannte sich das grüne Dach eines großen Blattes, das ihn in der Weiter lesen...
Vor langer, langer Zeit, in einem alten, tiefen Wald, wo die Bäume so dicht standen, dass das Sonnenlicht oft nur als goldener Staub auf den Boden fiel, lebte eine kleine Weiter lesen...
Pieps wachte auf. Er war müde von dem gestrigen, langen Weg durch das Grasmeer, doch der neue Tag brachte eine leichte, hoffnungsvolle Wärme. Langsam stand er auf und bereitete sich auf den Weiterweg vor. Das tiefe Grollen des Wasserfalls erinnerte ihn schnell daran, wo er sich befand. Er packte seine Sachen, ging zum See und machte sich dort ein wenig frisch.
Die Begegnung im Gischt
Von den Spuren der Vielbeinigen, die er gestern gesehen hatte, war nichts mehr zu finden. Anscheinend hatten Wasser und Wind sie weggespült. Dafür zeigten sich viele andere, merkwürdige Abdrücke im nassen Sand.
Pieps, dessen Neugier ihm immer einen Schritt voraus war, folgte ihnen bis zum Fuße des Wasserfalls. Hier verschwanden die Spuren plötzlich im tosenden Wassergischt. Hatte die Kreatur einfach den Weg ins Wasser genommen?
Ein leichtes Gefühl der Sorge beschlich Pieps. Nicht, dass er Angst hatte, aber ihm wurde bewusst, dass er wieder einmal irgendwelchen Spuren folgte, anstatt den Ausgang der Berge zu suchen. Er wusste, dass ihn diese Neugier noch in große Schwierigkeiten bringen könnte.
„Und… du kleiner Schnüffler? Wem suchst Du hier?“
Eine tiefe Stimme, die fremdartig klang, durchbrach den Lärm des Wasserfalls. Die Stimme war so tief und mächtig, dass selbst das Dröhnen des Wassers sie nicht überdecken konnte.
Pieps zuckte zusammen, sprang auf und drehte sich nervös um. Hatte man ihn gemeint?
„Ja Du… ich spreche mit Dir!“
Diesmal klang die Stimme etwas leiser, bis auf einmal, bevor Pieps reagieren und antworten konnte, eine Kreatur aus dem Gischt des Wasserfalls hervorkam: ein ziemlich großes, mehrbeiniges, krebsartiges Wesen, das einen schimmernden Panzer trug.
Pieps wusste nicht, was er tun sollte. Fliehen? Es war längst zu spät.
„Suchst Du mich, kleiner Schnüffler? Ich sehe, meine Spuren haben dich zu mir geführt. Schön… ich habe nicht viel Besuch hier“, sagte die Kreatur.
Wie es schien, war das ungewöhnliche Wesen freundlicher, als es auf den ersten Blick wirkte. Es war Ramiro, der Einsiedlerkrebs.
Ramiros verlorene Heimat
Pieps‘ anfängliche Scheu wich schnell der Faszination. Er erzählte Ramiro von seiner Reise und der Suche nach einem Weg aus dem Tal.
Ramiro bewegte seinen Panzer langsam.
„Zu steil, ja. Aber du hast Glück, Pieps. Dieser Berg hat eine Narbe. Einen Weg hindurch. Du suchst nach dem Ende dieses Tales, aber ich sage dir: Suche nach dem Anfang der Welt.“
Ramiro erzählte eine Geschichte. „Ich bin von einem Ort gekommen, den wir Der Silberstrand nannten. Als ich klein war, muss ich von dort fortgetragen worden sein, denn ich fand mich eines Morgens einfach am Strand dieses kleinen Sees wieder. Ich weiß nicht, wie ich hierherkam.“
Er seufzte leise, ein Geräusch wie Sand, der über Stein reibt. „Oft habe ich versucht, nach Hause zurückzukehren. Ich bin immer bis zum Eingang dieses Berges gekommen, aber der Weg in der Dunkelheit war zu viel. Ich habe es nie geschafft, hindurchzugehen. Ich weiß nicht einmal, ob Der Silberstrand noch existiert.“
Ein trauriger Schatten huschte über seine Augen, doch er verzog seine Mundwerkzeuge zu einem warmen Ausdruck. „Früher war ich unglücklich darüber. Aber nun, wo ich alt bin, reicht mir dieses Tal. Ich bin glücklich hier am Wasserfall. Aber du, Pieps… du hast das Feuer in dir. Und dieser Weg, den ich dir zeige, er soll zur Weite führen, in die Welt hinaus. Du musst es versuchen. Ich freue mich für dich.“
Diese Geschichte von einer verlorenen Heimat und dem Mut zur Reise traf Pieps im Herzen. Seine Abenteuerlust entflammte mit neuer Intensität.
„Nimm dies“, sagte Ramiro und reichte Pieps die letzten getrockneten Beeren und Kerne, die er hatte. „Es ist das letzte Stück meiner Heimat. Ich bin zu alt und müde für so einen Weg. Ich kann dir nur den Eingang zeigen. Aber du, Pieps, du musst gehen. Der Silberstrand wartet.“
Der Einstieg in die Höhle
Ramiro zeigte Pieps einen breiten Spalt in der Felswand, groß genug, um Pieps von weitem aufzufallen. Es war der Eingang zu einer steinigen Höhle, die sich hinter dem Getöse des Wasserfalls in den Berg fraß.
Allein vor der Dunkelheit stehend, holte Pieps die Osternglocke-Laterne aus seinem Rucksack. Sie funktionierte noch, und das warme Licht war ein beruhigendes Stück Heimat.
Der erste Teil des Weges führte durch die steinige Höhle. Der Boden war rau, unbefestigt und übersät mit herabgefallenen Steinen und Brocken. Die Decke war niedrig, und hie und da hingen kalte Stalaktiten herab. Dank der Laterne fand Pieps den Weg leicht. Mit großer Freude, wieder voranzukommen, wanderte er mehrere Stunden.
Die Schlucht und das Dunkel
Nach dieser Zeit war er am Ausgang angelangt. Der Höhlenausgang war stark von Hängepflanzen und Lianen überwuchert. Pieps kämpfte sich hindurch und trat in eine schmale, offene Schlucht ein, die zwischen himmelhohen Felswänden verlief. Er sah den Himmel, der sich von Hellblau in leuchtendes Gelb und tiefes Rosa verfärbte. Der Sonnenuntergang kündigte an, dass es Zeit war, sich auszuruhen.
Der lange, unbequeme Weg in der Höhle machte sich in Pieps’ Knochen bemerkbar. Die Schlucht selbst war alles andere als friedlich. Ihre Wände waren dicht von Farnen und kleinen Bäumen bewachsen. Hinter jedem Felsvorsprung und in jedem Schatten schien Pieps beobachtet zu werden.
Die letzten Kerne von Ramiro waren verzehrt. In der Schlucht war nichts Essbares zu finden. Wer wusste schon, wie lange dieser Weg noch dauern würde?
Trotz des Hungers suchte Pieps einen Schlafplatz. Er fand einen Baum, dessen Krone tief über den Boden wuchs und ihm ein wenig Schutz vor möglichem Regen und Geborgenheit bot. Als die Dunkelheit hereinbrach, sah Pieps, wie aus der Ferne helle Augenpunkte aus der Dunkelheit heraus auf ihn blickten.
Doch ein noch faszinierenderer Anblick zog ihn in seinen Bann: Direkt über ihm, an einem Ast, hatte eine leuchtende Spinne ihr Nest gebaut. Ihr feines, silbriges Gewebe strahlte in einem sanften, grünen Licht, das fast schon hypnotisch wirkte. Faszinierte von dem magischen Schauspiel, ignorierte Pieps seinen knurrenden Magen und schloss die Augen. Er schlief ein, mit dem Wissen, dass er dem Licht des Silberstrandes nun ein großes Stück näher war.
Die Ankunft der Sandläuferin Pieps, erschöpft von der Reise und den vielen neuen Eindrücken des Meeres, sank im Sand in einen tiefen Schlaf. Er hatte sich direkt am Rand des Weiter lesen...
Die Nacht war still und friedlich gewesen, hoch oben in den Ästen des alten Baumes. Pieps hatte sich dort ein kleines Nest aus Moos gebaut. Doch so richtig wohl fühlte Weiter lesen...
Pieps wachte auf. Er war müde von dem gestrigen, langen Weg durch das Grasmeer, doch der neue Tag brachte eine leichte, hoffnungsvolle Wärme. Langsam stand er auf und bereitete sich Weiter lesen...
Die unerwartete Begegnung Doch Pieps’ Hoffnung, dass das Kratzen und Zischen aufgegeben hätte, verflog, als die Stille durchbrochen wurde. Es klopfte leise an seine Tür. „Schläfst du, Pieps?“, flüsterte eine Weiter lesen...
Der Morgen am Waldrand Pieps erwachte genau dort, wo ihn die Müdigkeit am Abend zuvor überwältigt hatte. Die Sonne kitzelte seine Nase, und die Luft roch kühl und würzig nach Weiter lesen...
Nachdem die Höhle von dem unheimlichen Wesen besetzt schien, ging Pieps weiter, um einen Platz für die Nacht zu suchen. Es war schon dunkel. Die Wolken, die am Nachmittag aufgezogen Weiter lesen...
Ein kalter Tropfen glitt über Pieps’ Nase und kitzelte ihn wach. Blinzelnd öffnete er die Augen. Über ihm spannte sich das grüne Dach eines großen Blattes, das ihn in der Weiter lesen...
Vor langer, langer Zeit, in einem alten, tiefen Wald, wo die Bäume so dicht standen, dass das Sonnenlicht oft nur als goldener Staub auf den Boden fiel, lebte eine kleine Weiter lesen...
Doch Pieps’ Hoffnung, dass das Kratzen und Zischen aufgegeben hätte, verflog, als die Stille durchbrochen wurde. Es klopfte leise an seine Tür.
„Schläfst du, Pieps?“, flüsterte eine Stimme.
Die Tür öffnete sich einen Spalt. Im Licht einer kleinen Lampe, die er in der Hand hielt, stand Elias – im Schlafanzug und mit Schlafmütze. Er wirkte beunruhigt, ja fast ein wenig unglücklich, Pieps wecken zu müssen.
„Nein! Ich bin wach geworden. Irgendetwas war am Fenster“, berichtete Pieps atemlos, doch Elias unterbrach ihn kurz.
„Das war kein Albtraum. Jemand will dich unbedingt sehen.“
„Jetzt? Mitten in der Nacht?“, Pieps war überrascht. Wer sollte ihn, fernab all seiner Freunde und Familie, mitten in der Nacht treffen wollen?
„Ja. Zieh dich an und komm vor die Tür. Aber erschrick nicht. Er ist ein Freund. Er wird dir nichts tun… aber du wirst es gleich selbst sehen“, sagte Elias, schloss die Tür wieder und verschwand.
Pieps war überrumpelt und wusste nicht, was er sagen sollte. Doch seine Neugier auf das Unbekannte überwog trotz eines kleinen Anflugs von Angst. Er zog sich rasch an und trat mit einem entschlossenen Schritt vor das Haus.
Draußen standen Elias und Ellara. Sie unterhielten sich flüsternd mit…
„Oh! Was ist das denn?“, Pieps erstarrte vor Schreck.
Ein riesiger Kopf mit zwei Augen und einem so großen Maul, dass es Pieps auf der Stelle hätte verschlucken können.
„Tss, tss, Pieps“, zischte das Wesen ihn an und versuchte, ihn mit einer langen, zweigeteilten Zunge zu erreichen. „Herzlich willkommen!“
„Ich weiß, es ist mitten in der Nacht, aber…“
Pieps war überfordert. Alles ging ihm zu schnell. Erst vor wenigen Stunden hatte er die ersten Schritte im Grasmeer gemacht, neue Freunde gefunden und einen Kampf gegen einen Greifvogel gewonnen. Und nun das: Ein Schlangenwesen, vor dem Azakea ihn gewarnt hatte. Aber anscheinend sind nicht alle Schlangen gefährlich. Endlich wich die anfängliche Schockstarre. Er machte einen Schritt näher, um das Tier genauer zu betrachten.
„Ich bin Eduardo, von den Äskulapnattern“, stellte es sich vor und kam näher. So riesig, wie Pieps es zunächst wahrgenommen hatte, war es nicht, aber immer noch ziemlich lang. Es war das längste Lebewesen, das er je gesehen hatte.
„Lieber Pieps… du musst verschwinden“, sagte Eduardo unvermittelt.
„Verschwinden? Wie meinst du das?“, Pieps war irritiert. Er wollte sich bei Familie Grasgrün ausruhen und erst morgen weiterziehen.
„Du musst sofort verschwinden. Das ganze Grasmeer redet schon über dich und wie du Elias das Leben gerettet hast“, zischte Eduardo weiter. „Nur der Falkenpeter… der ist stinksauer auf dich. Seine Ehre hat stark gelitten. Die Hälfte der Bewohner macht sich schon heute lustig über ihn.“
Wie war das möglich? Es war doch erst vor ein paar Stunden passiert! Anscheinend funktionierte die Stillepost in dieser Gesellschaft wirklich gut.
„Der Falkenpeter wird dich jagen. Er weiß, wo du schläfst… aber seine Würde erlaubt es ihm nicht, den Familienfrieden zu stören. Deshalb wird er auf dich warten, sobald du weiterziehst“, erzählte Eduardo ohne Pause. Mit kurzem Atem, aber leiser Stimme versuchte er, Pieps zu warnen. „Wenn du jetzt gehst, hast du eine Chance, unbemerkt dem Falkenpeter zu entwischen.“
In diesem Moment kam Ellara aus dem Gras. In ihren Händen trug sie ein Päckchen, das in großen Blättern verpackt war.
„Pieps! Warte nicht! Geh, bevor die Sonne das Grasmeer erhellt und das Leben erweckt. Jetzt hast du noch die Chance, dein Ziel unbeschadet zu erreichen.“
So hatte Pieps sich den Abschied nicht vorgestellt. Aber sie hatten alle recht. Die Nacht würde noch ein paar Stunden dauern – genug Zeit, um die Gefahrenzone zu verlassen.
„Liebe Ellara. Lieber Elias… ich danke euch für alles.“
„Pieps! Nicht du sollst danken. Hast du vergessen? Wir schulden dir Dank und werden dich in Erinnerung behalten.“
Pieps zog seine Schuhe an, nahm seinen Hut und Rucksack.
„Eduardo… ich danke auch dir“, drehte sich Pieps zu der Schlange. „Schade, dass wir so wenig Zeit hatten. Vielleicht treffen wir uns irgendwann wieder… dann werden wir uns länger unterhalten können.“
Pieps sprach und spürte, wie ihm zwei kleine Tränen über die Wangen liefen. Er hatte sich bei der Familie Grasgrün so wohlgefühlt und musste sie nun so schnell verlassen, ohne sich von den Kleinen verabschieden zu können.
„Grüßt mir noch die Kleinen!“, sagte er am Ende und lief los, bevor er hinter dem nächsten Grashalm verschwand.
Die Flucht durch die Nacht
Der erste Teil der Flucht war von gespannter Stille geprägt. Jeder Windhauch, jedes Rascheln im Gras ließ Pieps zusammenzucken. Er lief nicht, er schlich – gebückt, um im Schutz der hohen Halme zu bleiben. Die Dunkelheit war sein größter Verbündeter, doch zugleich eine ständige Quelle der Angst. Er musste sich auf sein Gehör verlassen, auf das ferne Rauschen des Windes, um nicht vom Weg abzukommen. Immer wieder glaubte er, das ferne, scharfe Auge des Falkenpeters über sich kreisen zu sehen, aber es war nur die Dunkelheit, die ihm Streiche spielte.
Doch als er sich tiefer in die Nacht wagte, wagte Pieps es, kurz innezuhalten und den Blick nach oben zu richten. Über ihm spannte sich der Himmel in einer unvorstellbaren Tiefe auf – ein Meer aus schwarzem Samt, besprenkelt mit funkelnden Diamanten. Es war ein Augenblick der erhabenen Schönheit, der ihm paradoxerweise Mut und Trost spendete.
Die Stunden verrannen langsam. Die Kühle der Nacht kroch ihm durch die Kleidung, aber die Anspannung hielt ihn wach. Irgendwann wich die tiefste Schwärze einem grauen Morgengrauen. Mit dem ersten schwachen Licht wurde sein Weg sicherer, aber auch gefährlicher, denn jetzt konnte ihn auch der Falke besser sehen.
Der Tag brach langsam an. Stunden waren vergangen, und Pieps marschierte munter weiter. Die Landschaft veränderte sich jedoch nicht wirklich. Immer wieder die gleichen hochstehenden Grashalme, hier und da ein paar Blumen und überall das Gezwitscher von Vögeln. Er hörte sie schon, seit es hell geworden war – mehrere, dutzende verschiedene Zwitscherlaute, als hätten sie Pieps begrüßen wollen. Und trotzdem, trotz dieser friedlichen Momente, trug Pieps die Gefahr, die vom Falkenpeter ausging, im Hinterkopf. Deswegen versuchte Pieps, die Gegend so schnell wie möglich zu verlassen. So weit wie es ging…
„Guten Morgen, Pieps“, hörte Pieps auf einmal eine leise Begrüßung. Die Stimme, die er noch nie gehört hatte, klang, als hätte der Wind selbst mit ihm gesprochen. Hatte er sich verhört? Pieps drehte sich um. „Guten Morgen, Pieps… hier… hier oben“, meldete sich die Stimme wieder. Pieps drehte sich erneut um und schaute ein wenig nach oben…
Es war ein wunderschöner kleiner, blauer Schmetterling, der knapp über einem Grashalm schwebte. Ihre Flügel glitzerten im frühen Sonnenlicht. „Ich bin Fibi“, stellte sie sich vor. „Gute Bekannte der Grasgrüns. Ich war schon gestern Abend da, als du dich ausgeruht hast.“
„Guten Morgen, Fibi“, antwortete Pieps erleichtert. Es tat gut, inmitten der Anspannung ein freundliches Gesicht zu sehen. „Kann ich dir irgendwie helfen?“
Fibi schwebte näher. „Nein, du bist derjenige, dem geholfen werden muss! Ellara hat sich große Sorgen gemacht, als sie heute Morgen dein leeres Bett sah und wusste, dass du mitten in der Nacht gegangen bist. Sie hat mir zugewinkt – ich bin seit Tagesanbruch auf der Suche nach dir, um nach dem Rechten zu sehen.“
Das warme Gefühl von Zuneigung, das ihn schon kurz berührt hatte, wurde nun stärker. Pieps erzählte ihr kurz von dem Besuch von Eduardo, dem Äskulapnatter.
Fibi lachte leise, ein Geräusch wie das Zusammentreffen von Grashalmen. „Ach, Eduardo! Er ist dramatisch, aber er meint es gut. Er ist einer der Gründe, warum Ellara heute beruhigt ist.“ Sie begleitete Pieps nun im langsamen Schwebeflug, während er zügig weiter marschierte.
„Sie hat mir berichtet, wie tapfer du warst, Pieps. Das ganze Grasmeer redet davon. Und ich habe Neuigkeiten, die dir helfen werden“, flüsterte Fibi. „Der Falkenpeter ist zwar stinksauer, wie Eduardo schon sagte, aber er hat aufgegeben.“
Pieps hielt überrascht inne. „Aufgegeben? Aber wieso?“
„Er hat gehört, dass du verschwunden bist, dass du über Nacht geflohen bist. Seine Ehre erlaubt es ihm nicht, eine so weite und langwierige Suche in dieser offenen Steppe zu beginnen“, erklärte Fibi. „Er betrachtet es als Feigheit deinerseits und meint, ein Feigling sei seiner Jagd nicht würdig. Er ist wieder in seinem Revier. Du bist sicher, Pieps.“
Die Worte trafen Pieps wie ein warmer, entspannender Regen. Ein riesiger Stein fiel ihm vom Herzen. Die permanente Anspannung wich einer tiefen, fast schmerzhaften Erleichterung.
„Trotzdem“, fuhr Fibi fort, während sie ihm den Weg zwischen zwei besonders dichten Grashalmen zeigte, „hast du gut daran getan, die Grenze schnellstmöglich zu erreichen. Der Falkenpeter ist stolz, und sein Groll wird nicht einfach verfliegen.“
Sie begleiteten sich noch eine Weile, während Fibi ihm Geschichten über die Eidechsen und die kleinen Abenteuer im Grasmeer erzählte. Die Landschaft änderte sich merklich. Die Gräser wurden lichter, der Boden steiniger und härter. Die Luft war nun trocken und staubig.
„Hier muss ich dich leider verlassen, Pieps“, sagte Fibi, als die Grashalme endeten. „Ich kann mich im Felsmeer nicht verstecken. Aber jetzt, wo du weißt, dass du nicht mehr gejagt wirst, kannst du deine Reise genissen. Pass auf dich auf!“
Pieps fühlte sich, als würde er einen lieben Freund zurücklassen. „Danke, Fibi. Grüß mir Ellara und Elias und sag ihnen, ich werde sie nie vergessen.“
Mit einem letzten, funkelnden Flügelschlag stieg Fibi in die Höhe und segelte zurück in das grüne Meer, während Pieps, erschöpft, aber nun innerlich ruhig und zentriert, die Grenze erreichte.
Die Schwelle zum Unbekannten
Vor ihm tat sich die Landschaft abrupt auf: eine felsige Einöde. Zuerst nur kleine Steine und ein paar widerstandsfähige Pflanzen, doch dann eine steil aufragende Felsformation, die sich wie eine uneinnehmbare Mauer entlang der Grenze erstreckte.
Erschöpft erreichte Pieps den Fuß der Felsen. Seine Beine taten ihm von den stundenlangen Märschen in der Nacht und am Vormittag wirklich weh. Er spürte die Anstrengung in jedem Zentimeter seines kleinen Körpers. Doch hier, in der prallen Sonne, auf den bereits stark aufgeheizten Steinen, wäre eine Pause alles andere als angenehm. Die ungeschützte, heiße Landschaft wirkte auf Pieps gefährlich und abweisend.
„Vielleicht hinter der riesigen Wand“, dachte Pieps und hob den Blick zu den beiden gewaltigen Felsmassen, die vor ihm aufragten.
Dazwischen führte ein schmaler, unscheinbarer Weg hindurch. Und tatsächlich: weiter hinten, wo der Weg in die Tiefe zwischen den Bergen führte, ließen ein paar Bäume die Stelle vielversprechend für eine Pause erscheinen.
Mit neuer Hoffnung marschierte Pieps auf den Durchgang zu. Durch die Felsspalte hindurch fand er den Zugang zu einem kleinen, versteckten Tal. Direkt am Eingang erstreckte sich eine wunderschöne Wiese und das helle Rauschen verriet sofort, woher die Kühle kam: Ein kleiner Wasserfall stürzte in einen kristallklaren See. Die kühle Brise des Wasserfalls spürte Pieps schon hier, an den Füßen des Felsspaltes.
Hier, dachte er, hier werde ich meine Pause machen.
Das ist der perfekte Ort, um die Beine abzukühlen, sich für die Nacht vorzubereiten und die dringend benötigten Kräfte für die Überquerung der Berge zu sammeln.
Mit einem tiefen Atemzug, der die kühle, feuchte Luft füllte, stemmte Pieps den Wanderstock in den Boden. Er war allein, aber nicht ängstlich. Er machte die ersten Schritte auf die Wiese zu. Das Rauschen des Wassers schien ihn willkommen zu heißen.
Doch dann, gerade als seine Zehen das weiche, feuchte Gras berührten, hielt Pieps inne. Sein Blick fiel auf den feinen Sandstrand neben dem See, direkt unterhalb des Wasserfalls. Dort, wo das Wasser den Sand geglättet hatte, sah er einen Abdruck.
Es war kein Vogelfuß, kein Käferpfad und auch keine Eidechsen-Spur. Es war ein winziger, klar definierter Fußabdruck – fast wie seiner, aber mit fünf gleichmäßigen Zehen und einem runden Ballen. Er war eindeutig frisch.
Pieps’ Neugier durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag. Er war nicht der Erste, der dieses Tal gefunden hatte.
Erleichterung und Gefahr lagen hier dicht beieinander. Wer hatte diesen versteckten Ort sonst noch betreten?
Die Ankunft der Sandläuferin Pieps, erschöpft von der Reise und den vielen neuen Eindrücken des Meeres, sank im Sand in einen tiefen Schlaf. Er hatte sich direkt am Rand des Weiter lesen...
Die Nacht war still und friedlich gewesen, hoch oben in den Ästen des alten Baumes. Pieps hatte sich dort ein kleines Nest aus Moos gebaut. Doch so richtig wohl fühlte Weiter lesen...
Pieps wachte auf. Er war müde von dem gestrigen, langen Weg durch das Grasmeer, doch der neue Tag brachte eine leichte, hoffnungsvolle Wärme. Langsam stand er auf und bereitete sich Weiter lesen...
Die unerwartete Begegnung Doch Pieps’ Hoffnung, dass das Kratzen und Zischen aufgegeben hätte, verflog, als die Stille durchbrochen wurde. Es klopfte leise an seine Tür. „Schläfst du, Pieps?“, flüsterte eine Weiter lesen...
Der Morgen am Waldrand Pieps erwachte genau dort, wo ihn die Müdigkeit am Abend zuvor überwältigt hatte. Die Sonne kitzelte seine Nase, und die Luft roch kühl und würzig nach Weiter lesen...
Nachdem die Höhle von dem unheimlichen Wesen besetzt schien, ging Pieps weiter, um einen Platz für die Nacht zu suchen. Es war schon dunkel. Die Wolken, die am Nachmittag aufgezogen Weiter lesen...
Ein kalter Tropfen glitt über Pieps’ Nase und kitzelte ihn wach. Blinzelnd öffnete er die Augen. Über ihm spannte sich das grüne Dach eines großen Blattes, das ihn in der Weiter lesen...
Vor langer, langer Zeit, in einem alten, tiefen Wald, wo die Bäume so dicht standen, dass das Sonnenlicht oft nur als goldener Staub auf den Boden fiel, lebte eine kleine Weiter lesen...
Pieps erwachte genau dort, wo ihn die Müdigkeit am Abend zuvor überwältigt hatte. Die Sonne kitzelte seine Nase, und die Luft roch kühl und würzig nach frischem Tau. Seine Füße steckten noch in den Stiefeln, und sein prall gefüllter Rucksack hatte als perfektes Kopfkissen gedient.
„Was wohl Mama dazu gesagt hätte?“, dachte er lächelnd, während er sich streckte.
Doch als er den Kopf hob, blieb ihm fast der Atem stehen. Vor ihm breitete sich das Grasmeer aus – ein endloses Meer aus schimmernden, grünen Halmen, die sich im Wind wie sanfte Wellen wiegten. Hoch über ihm funkelte der Himmel in einem zarten, unschuldigen Morgenblau.
„Das ist es also“, flüsterte Pieps ehrfürchtig. „Das große Grasmeer.“
Er schnallte seinen Rucksack fest, nahm den Wanderstock in die Pfote und machte sich auf den Weg – mit den Worten der weisen Azaela im Ohr, die nun wichtiger klangen denn je:
„Geh langsam. Mach keine Geräusche. Und bleib immer aufmerksam.“
Begegnung mit Dunggrün
Lange wanderte Pieps durch das hohe, sich über ihm schließende Gras. Der Boden war weich und voller flüchtiger Spuren kleiner Tiere. Die Sonne wärmte ihm den Rücken, und der Wind sang leise in den Halmen.
Da hörte er plötzlich eine tiefe, freundliche Stimme, die ihn fast stolpern ließ: „Guten Morgen, kleiner Wanderer! Wohin des Weges?“
Vor ihm balancierte eine Mistkäferfamilie eine glänzende Erdkugel einen Grashalm hinauf. Herr Dunggrün, seine Frau und zwei kugelrunde Kinder arbeiteten harmonisch zusammen.
Pieps musste lachen. „Ich bin auf der Durchreise. Ich möchte das Grasmeer überqueren.“
Herr Dunggrün nickte verständnisvoll. „Dann pass gut auf dich auf. Hier draußen gibt es viele Augen, die nach einem schnellen Mittagssnack suchen.“
Sie lachten alle, doch in Herrn Dunggrüns Worten schwang ein ernster Unterton mit. Pieps blieb eine Weile, hörte den faszinierenden Erzählungen der Käferfamilie zu – von Stürmen, die wie Riesen brüllen, und der hohen Kunst, eine Kugel zu rollen, ohne sie in der Rinne zu verlieren. Schließlich trennten sich ihre Wege.
„Viel Glück, kleiner Freund! Und sei vorsichtig!“, rief Frau Dunggrün, bevor sie zwischen den Halmen verschwanden.
Pieps winkte ihnen nach. Wie freundlich die Fremden waren, dachte er und zog weiter in die Stille des Grases.
Der silberne Spiegel
Nach dem Regen der letzten Tage duftete alles intensiv und lebendig. Das Licht tanzte über die verbliebenen Tropfen, wodurch das gesamte Grasmeer in einem magischen Glitzern lag.
Bald entdeckte Pieps eine große Regenpfütze, die in der Sonne wie flüssiges Silber glänzte. Er beugte sich hinunter, betrachtete sein Spiegelbild und grinste. „Na, Pieps“, sagte er zu sich selbst, „du siehst ganz schön zerzaust aus.“
Er trank vorsichtig ein paar Tropfen, ruhte sich aus und lauschte dem leisen Rascheln des Windes. Es war friedlich, zu friedlich, so friedlich, dass er beinahe vergaß, wie ungeschützt er war. Hier draußen, allein im offenen Gras, war die Nacht kein guter Freund. Also stand er auf. Ein schneller Blick auf die Sonne, dann zog er weiter.
Der Schatten über dem Grasmeer
Ein leises, scharfes Pfeifen ließ ihn plötzlich erstarren. Ein dunkler, riesiger Schatten glitt lautlos über ihn hinweg – groß, schnell, bedrohlich.
Ein Vogel! Ein Raubvogel!
Pieps duckte sich instinktiv zwischen die nächsten Halme. Azaelas Stimme war nun ein scharfer Befehl in seinem Kopf:
„Bleib in Bewegung. Lass dich nicht finden.“
Aber der Schatten blieb. Dann kam der Schrei – scharf, kurz und triumphierend – gefolgt von einem Flattern, das so gewaltig war, dass die Grashalme um ihn herum bebten.
Pieps’ Herz raste. Er wagte kaum zu atmen.
Dann hörte er ein leises Quieken. Jemand war gefangen! Die Angst der Beute schnürte ihm die Kehle zu.
Er zögerte nur einen Augenblick, aber dieser eine Augenblick war genug. Ein kleiner Funke des Mutes entfachte in seiner Brust. Mit erhobenem Wanderstock – der sich in seiner Hand wie ein Schwert anfühlte – sprang er aus seinem Versteck und schrie mit aller Kraft, die seine kleinen Lungen hergaben: „Lass sie los!“
Der riesige Vogel, völlig überrascht von dem winzigen, unerwarteten Angreifer, flatterte erschrocken zurück. Mit einem wütenden Kreischen erhob er sich in die Luft – und ließ seine Beute fallen.
Pieps rannte zu der Eidechse, die reglos dalag. Ihre Seite war aufgeschlitzt, aber sie atmete. Behutsam legte er ein breites Blatt auf die Wunde.
„Alles gut“, flüsterte er. „Ich helfe dir.“
Die Eidechse öffnete mühsam die Augen. „Danke… ich bin Elias Grasgrün. Wir müssen hier verschwinden, mein Haus ist nicht weit von hier.“
„Dann bringe ich dich dorthin“, sagte Pieps entschlossen.
Ein Zuhause im Grasmeer
Nach einer Weile erreichten sie ein kleines, gemütliches Haus, versteckt zwischen dicken Gräsern. Davor spielten drei kleine Eidechsen, und in der Tür stand Frau Elara Grasgrün.
„Elias!“ rief sie und lief ihm entgegen. „Du bist verletzt!“
„Nur ein Kratzer“, sagte Herr Grasgrün tapfer und deutete auf Pieps. „Dieser kleine Freund hat mir das Leben gerettet.“
Frau Grasgrün sah Pieps erstaunt an, dann lächelte sie warm. „Dann bist du unser Retter! Komm herein, du musst müde und hungrig sein.“
Drinnen war es hell und heimelig. Auf dem Tisch dampfte Kräutertee. Die drei Kinder – Lina, Laro und Lumi – setzten sich neugierig zu Pieps.
„Bist du ein echter Abenteurer?“ fragte Lumi mit großen Augen.
Pieps grinste. „Vielleicht ein halber. Ich wollte einfach nur sehen, wie groß die Welt wirklich ist.“
Sie lachten. Als Pieps von Azaela erzählte, leuchteten die Augen von Frau Grasgrün auf. „Azaela? Aber natürlich kennen wir sie! Wir wollten sie längst besuchen, doch wir waren wegen der Kinder krank.“
Draußen ging die Sonne unter, und Glühwürmchen begannen zu tanzen. Das Grasmeer wurde zu einem Meer aus goldenen Punkten.
„Bleib heute Nacht bei uns“, bat Herr Grasgrün. „Der Weg ist morgen auch noch da.“
Pieps nickte dankbar. Er fühlte sich zum ersten Mal seit seiner Abreise wieder geborgen.
Der Abend im Grasmeer
Später, als die kleinen Eidechsen schon in ihren Betten lagen, klopfte es leise an Pieps’ Tür. Lina lugte herein. „Pieps… erzählst du uns noch eine Geschichte?“
Pieps lächelte. „Nur eine kleine.“ Er setzte sich ans Bett und begann zu erzählen – von einer kleinen Maus, die von einer fernen dunklen Wald kam und eines Tages den Mut fand, die Welt zu sehen.
Als er den Raum verließ, schliefen sie alle.
Draußen saßen Herr und Frau Grasgrün auf der Bank. Der Wind war still, der Himmel überwältigend voller Sterne. Pieps setzte sich zu ihnen.
„Danke“, sagte Frau Grasgrün leise. „Dass du Elias gerettet hast.“
„Ich habe nur getan, was ich konnte“, flüsterte Pieps.
„Manchmal,“ sagte Herr Grasgrün, „sind die Kleinsten die Mutigsten.“
Pieps blickte in den Himmel. Er dachte an seine Mutter. Er spürte ein warmes Ziehen im Herzen – Heimweh und Glück zugleich.
„Es ist schön hier“, flüsterte er. „Fast so, als wäre ich zu Hause.“
Frau Grasgrün nickte. „Vielleicht ist jedes gute Herz ein Zuhause, Pieps. Und du trägst deins immer bei dir.“
Er lächelte müde. Der Mond glühte tief über dem Grasmeer.
Pieps legte sich hin, zog die Decke bis zur Nase und murmelte: „Gute Nacht, Mama… ich bin ganz nah bei dir.“
Er schlief ein – mit einem Lächeln, das von Träumen und Liebe erzählte…
… doch tief in der Nacht riss ihn ein Geräusch aus dem Schlaf. Es war kein Wind, kein Tier. Es war ein leises, schleifendes Kratzen direkt unter dem Haus, begleitet von einem flüsternden Zischen.
Pieps richtete sich auf, die Decke fiel zu Boden. Er hielt den Atem an und lauschte.
Ein Schatten huschte am Fenster vorbei – länger und viel dunkler als alles, was er bisher gesehen hatte. Das Zischen wurde lauter, fordernder. Es roch nach feuchter Erde und Gefahr.
Die Worte von Herr Dunggrün schossen ihm in den Kopf: „Hier draußen gibt es viele Augen, die nach einem schnellen Mittagssnack suchen.“
Pieps’ Herz hämmerte gegen seine Rippen. Das war etwas anderes. Etwas, das auf dem Boden kroch. Er schwang seine Beine aus dem Bett und griff nach seinem Wanderstock.
Die Ankunft der Sandläuferin Pieps, erschöpft von der Reise und den vielen neuen Eindrücken des Meeres, sank im Sand in einen tiefen Schlaf. Er hatte sich direkt am Rand des Weiter lesen...
Die Nacht war still und friedlich gewesen, hoch oben in den Ästen des alten Baumes. Pieps hatte sich dort ein kleines Nest aus Moos gebaut. Doch so richtig wohl fühlte Weiter lesen...
Pieps wachte auf. Er war müde von dem gestrigen, langen Weg durch das Grasmeer, doch der neue Tag brachte eine leichte, hoffnungsvolle Wärme. Langsam stand er auf und bereitete sich Weiter lesen...
Die unerwartete Begegnung Doch Pieps’ Hoffnung, dass das Kratzen und Zischen aufgegeben hätte, verflog, als die Stille durchbrochen wurde. Es klopfte leise an seine Tür. „Schläfst du, Pieps?“, flüsterte eine Weiter lesen...
Der Morgen am Waldrand Pieps erwachte genau dort, wo ihn die Müdigkeit am Abend zuvor überwältigt hatte. Die Sonne kitzelte seine Nase, und die Luft roch kühl und würzig nach Weiter lesen...
Nachdem die Höhle von dem unheimlichen Wesen besetzt schien, ging Pieps weiter, um einen Platz für die Nacht zu suchen. Es war schon dunkel. Die Wolken, die am Nachmittag aufgezogen Weiter lesen...
Ein kalter Tropfen glitt über Pieps’ Nase und kitzelte ihn wach. Blinzelnd öffnete er die Augen. Über ihm spannte sich das grüne Dach eines großen Blattes, das ihn in der Weiter lesen...
Vor langer, langer Zeit, in einem alten, tiefen Wald, wo die Bäume so dicht standen, dass das Sonnenlicht oft nur als goldener Staub auf den Boden fiel, lebte eine kleine Weiter lesen...
Nachdem die Höhle von dem unheimlichen Wesen besetzt schien, ging Pieps weiter, um einen Platz für die Nacht zu suchen. Es war schon dunkel. Die Wolken, die am Nachmittag aufgezogen waren, hatten nicht nur Regen mitgebracht. Es begann zu pfeifen. Irgendwann fand Pieps eine geschützte Stelle – nicht ganz trocken, aber zumindest ein wenig vom Wind abgeschirmt. Es war ein guter Ort, um sich auszuruhen.
Er schlief sofort ein. Ein Wunder bei dem Wetter.
Das nächtliche Erwachen
Mitten in der Nacht schreckte er hoch. Der Wind hatte sich verstärkt. Man hörte nicht nur das Pfeifen, sondern auch, wie hier und dort kleine Äste brachen und krachend auf den Boden fielen. Das Wetter hatte sich in ein tropisches Unwetter verwandelt. Pieps saß inzwischen halb im Wasser. Er zitterte vor Kälte, aber auch ein wenig vor Angst. Dennoch versuchte er, die Augen noch zu schließen – bis zum Morgen war es ja noch weit.
Auf einmal hörte Pieps einen Ruf. Zwischen dem Krach und dem heulenden Lärm, den der Wald durch den Wind und den peitschenden Regen verursachte, war eine leise, aber dringliche Stimme zu hören. Und das bei diesem mörderischen Wetter, mitten in der Nacht!
Wer konnte das nur sein?
„…anderer… kleine…“
Die Rufe hörten sich immer näher an, kämpften sich durch das Getöse des Sturms. Nach ein paar Minuten waren sie fast direkt vor Pieps‘ Versteck zu hören.
„Kleiner Wanderer!“
Meinte er ihn? Pieps zitterte nicht mehr nur vor Kälte. Eine kalte Schauer lief ihm den Rücken hinunter, eine Angst, die viel tiefer saß als die Nässe. Er wagte kaum zu atmen.
„Ooo, ich hab dich gefunden“, sagte die Stimme, nun ganz nah.
Da schob sich die unheimliche Gestalt vom Vorabend aus dem Gebüsch. Sie war groß und schlank. Ihre langen, gespaltenen Arme wirkten wie gezackte Äste, und ihr Kopf bewegte sich ruckartig.
Das war eine Gottesanbeterin.
Ihre Augen waren zwei pechschwarze, bewegungslose Kugeln, die Pieps unerbittlich anstarrten. Ihre langen Fangarme, die nun feucht glänzten, waren voller winziger, scharfer Stacheln und sahen aus, als könnten sie alles, was sie griffen, mühelos zerschneiden. In ihrer rechten Hand trug die Gottesanbeterin einen riesigen, zerrissenen Regenschirm. Er hatte inzwischen viele Löcher, doch trotz allem bot er ihr und dem Raum um sie herum ein wenig Schutz vor den schlimmsten Güssen.
Sie lud Pieps ein: „Komm mit mir in die Höhle. Du wirst dich hier noch erkälten.“
Pieps war durchnässt. Nachkurze Überlegung – denn sein Herz klopfte immer noch wild vor Furcht – stimmte er jedoch zu.
Die Wächterin Azaela
Die Höhle war innen eine Überraschung. Sie war nicht nur trocken, sondern auch erstaunlich gemütlich. Ein kleines, warmes Feuer knisterte in einer windgeschützten Nische. Die Wände waren mit Bildern und Skizzen aus der ganzen Welt geschmückt. Es wirkte wie ein gemütliches Wohnzimmer.
Das riesige Wesen stellte sich als Azaela vor. Sie reichte Pieps ein warmes Getränk in einem ausgehöhlten Becher und erzählte ein wenig über sich.
„Als junges Mädchen bin ich durch die Welt gewandert. Aber jetzt, wo ich alt geworden bin, suchte ich nach Ruhe und Gemütlichkeit. Die fand ich hier in diesem dunklen Wald.“ Sie blickte auf ihre stacheligen Arme und seufzte leise. „Die Welt ist wunderschön, aber auch gefährlich.“
Sie erklärte: „Ich habe große Wasser überquert und unheimliche Städte voller Riesen auf zwei Beinen gesehen.“ Azaela erzählte Schauergeschichten von unberechenbaren Gefahren. Irgendwann, als sie schon fast alles gesehen hatte, kehrte sie in diesen alten Wald zurück, um in Ruhe vor sich hin zu leben. „Es kommen nur selten Fremde hierher. Nur ein paar Freunde kommen, um Geschichten von der Welt zu hören. Aber keiner hat so viel Mut oder Wissensdrang wie du, die kleine Maus, die vor mir sitzt.“
Die Angst wich Pieps allmählich aus den Gliedern.
Azaela erzählte ihm von der Großen Ebene, die Pieps überqueren musste, und von der wahren Welt, die sich dahinter versteckte.
„Vor dir liegt ein Grasmeer“, erklärte sie, ihre Stimme wurde tiefer. „Es gibt dort keine Bäume, keinen Schutz. Hinter jedem Grashalm versteckt sich eine Gefahr, die du nicht kommen siehst. Falken spähen von oben, bereit, im Sturzflug zuzuschlagen. Und am Boden warten Schlangen, geduldig und lautlos. Du darfst nicht unvorbereitet hineingehen.“
Sie sah Pieps eindringlich an. „Du musst hindurch, kleiner Wanderer. Denn erst hinter diesem Grasmeer beginnt das wahre Abenteuer. Nur dort siehst du die Berge und Flüsse meiner Geschichten.“
„Ohne diesen Schmerz gäbe es keine Stärke“, sagte sie sanft. „Du wirst lernen, kleiner Pieps. So, wie ich es einst gelernt habe.“
Irgendwann, warm und müde, schlief Pieps ein, ganz froh, Azaela getroffen zu haben.
Der Abschied
Am nächsten Morgen wurde Pieps vom Duft warmer Erde geweckt. Die beiden quatschten noch lange. Pieps erfuhr vieles über die Welt jenseits des Waldes.
Es war Mittagszeit, das Wetter hatte sich beruhigt und die Sonne strahlte durch den Höhleneingang. Pieps wusste, er musste weiter. Er wollte den Waldrand noch heute erreichen. Azaela war ihm in diesen Stunden lieb geworden, der Abschied fiel ihm schwer.
Azaela lächelte schmal, doch ihre schwarzen Augen schienen feucht zu werden. Sie deutete auf einen Stapel alter, gut erhaltener Gegenstände.
„Dies ist ein Abschiedsgeschenk für dich, kleiner Freund. Sie haben mich auf meinen größten Reisen beschützt. Ich habe sie als Erinnerung an die großen Abenteuer, die ich erleben durfte, aufbewahrt. Nun sollst du sie haben, und so soll es sein, als wäre ich mit dir auf der Reise.“
Pieps sah die Geschenke: ein Paar kleine Wanderschuhe aus robustem Leder, die seine Pfoten schützen würden; ein kleiner, stabiler Rucksack aus getrocknetem Blatt, perfekt für seine Vorräte; und ein breiter Hut aus Schilf, der ihn vor Sonne und Regen bewahren sollte.
Pieps nahm die Sachen auf. Er sah jetzt schon ziemlich cool aus, bereit für die Gefahren der weiten Welt.
„Dort hinten, beim Brombeergebüsch, findest du Nahrung für den Rest des Tages“.
Pieps erhob sich. „Ich danke Euch“, flüsterte er. „Für die Rettung, die Warnung und für die Geschichten.“
Voll von Geschichten und guten Ratschlägen für den Weg, war es Zeit weiterzugehen.
Azaela nickte ihm zu. Mit diesen Worten erhob sich die alte Dame langsam und verließ den Raum mit Tränen in den Augen. Sie weinte im Verborgenen.
Pieps blieb lange still sitzen. Mit einem Kloß im Hals verließ auch er die Höhle. Es war inzwischen Mittag. Dieser Abschied schmerzte ihn tief, fast so, als hätte er seine eigene Familie ein zweites Mal zurückgelassen. Doch die Wärme der Höhle und die Geschichten Azaelas füllten ihn mit unerschütterlicher Zuversicht und Spannung auf die kommenden Tage.
„Die Welt ist groß“, murmelte er, „und ich bin klein. Aber ich gehe weiter.“
Als die Sonne schon schräg stand und langsam sank, raffte er sich auf. Die Lichtung war nicht weit – er konnte die helleren Ränder schon durch die Bäume schimmern sehen. Doch hinein wollte er erst morgen.
Am Rand des offenen Feldes suchte er sich ein Schlaflager: eine Mulde unter einer umgestürzten Wurzel, von Laub bedeckt. Dort kuschelte er sich in seine neue Ausrüstung. Er schloss die Augen, aber der Schlaf wollte nicht kommen. Die Geschichten, die Azaela ihm erzählt hatte – von den unheimlichen Städten und dem schrecklichen Gräsermeer – begannen nun erst richtig auf ihn zu wirken. Die Geräusche des Waldes schienen sich in die Stimmen der Gefahr zu verwandeln.
Noch im Halbschlaf flüsterte er: „Ich werde mich erinnern. Immer.“
Dann schlief er ein – und träumte von Augen, die wie Schatten funkelten und von Wegen, die ins Unbekannte führten.
Die Ankunft der Sandläuferin Pieps, erschöpft von der Reise und den vielen neuen Eindrücken des Meeres, sank im Sand in einen tiefen Schlaf. Er hatte sich direkt am Rand des Weiter lesen...
Die Nacht war still und friedlich gewesen, hoch oben in den Ästen des alten Baumes. Pieps hatte sich dort ein kleines Nest aus Moos gebaut. Doch so richtig wohl fühlte Weiter lesen...
Pieps wachte auf. Er war müde von dem gestrigen, langen Weg durch das Grasmeer, doch der neue Tag brachte eine leichte, hoffnungsvolle Wärme. Langsam stand er auf und bereitete sich Weiter lesen...
Die unerwartete Begegnung Doch Pieps’ Hoffnung, dass das Kratzen und Zischen aufgegeben hätte, verflog, als die Stille durchbrochen wurde. Es klopfte leise an seine Tür. „Schläfst du, Pieps?“, flüsterte eine Weiter lesen...
Der Morgen am Waldrand Pieps erwachte genau dort, wo ihn die Müdigkeit am Abend zuvor überwältigt hatte. Die Sonne kitzelte seine Nase, und die Luft roch kühl und würzig nach Weiter lesen...
Nachdem die Höhle von dem unheimlichen Wesen besetzt schien, ging Pieps weiter, um einen Platz für die Nacht zu suchen. Es war schon dunkel. Die Wolken, die am Nachmittag aufgezogen Weiter lesen...
Ein kalter Tropfen glitt über Pieps’ Nase und kitzelte ihn wach. Blinzelnd öffnete er die Augen. Über ihm spannte sich das grüne Dach eines großen Blattes, das ihn in der Weiter lesen...
Vor langer, langer Zeit, in einem alten, tiefen Wald, wo die Bäume so dicht standen, dass das Sonnenlicht oft nur als goldener Staub auf den Boden fiel, lebte eine kleine Weiter lesen...
Ein kalter Tropfen glitt über Pieps’ Nase und kitzelte ihn wach. Blinzelnd öffnete er die Augen. Über ihm spannte sich das grüne Dach eines großen Blattes, das ihn in der Nacht vor dem Regen geschützt hatte. Auf der Oberfläche funkelten noch kleine Wassertropfen, als wären hunderte Diamanten darüber gestreut.
Pieps streckte sich genüsslich. Zum ersten Mal hatte ihn kein Geschwisterchen angestupst oder aus dem Schlaf gedrängt. Niemand drängte ihn zur Seite, niemand zankte. Er konnte sich rollen, strecken, gähnen – so viel er wollte. Ein wohliges Gefühl breitete sich in ihm aus.
Doch bald fiel ihm auf, dass etwas fehlte. Kein vertrautes Schnurren seiner Mutter, keine bekannten Gerüche aus der Küche, kein Rascheln von Moos im Nest. Stattdessen roch es nach feuchter Erde und nach Wald. Da erinnerte er sich: Er war unterwegs. Seine Reise hatte erst begonnen.
Mit einem Ruck schob er das Blattdach beiseite und kroch hinaus. Kühle Luft strich über sein Gesicht. In der Nähe plätscherte ein Bach. Pieps folgte dem Klang und tauchte seine Pfoten ins klare Wasser. Er spritzte sich über Nase und Augen, bis sie glänzten, und lachte leise, als die Tropfen an seinen Schnurrhaaren glitzerten. „So, jetzt bin ich wirklich wach.“
Er nahm seine kleine Osterglocken-Laterne, griff nach seinem Wanderstock und stapfte los.
Der Morgen war hell und freundlich. Sonnenstrahlen fielen durch die Bäume, die langen Schatten wirkten verspielt, nicht mehr unheimlich. Ein Eichhörnchen blieb kurz stehen und blickte neugierig, ein bunter Vogel legte den Kopf schief, als wolle er ihn begrüßen. Pieps aber senkte verlegen die Augen. Noch traute er sich nicht, mit den großen Waldbewohnern zu sprechen.
Bald stieg ihm ein süßer Duft in die Nase. Er folgte ihm – und entdeckte einen Heidelbeerstrauch, der sich wie ein grünes Netz an den Stamm eines Baumes schmiegte. Zwischen den Blättern hingen tiefblaue Früchte, schwer und saftig, so tief, dass Pieps sie mit den Pfoten erreichen konnte.
„Oh!“ rief er begeistert und packte eine Beere. Sie war fast so groß wie sein Kopf. Vorsichtig biss er hinein. Der Saft lief ihm über die Pfoten und schmeckte süß und frisch. Pieps lachte und stopfte sich gleich die nächste in den Mund. Schon bald war sein Bauch rund und zufrieden, und seine Schnurrhaare waren voller blauer Flecken. „Das war ein Festmahl“, murmelte er satt und glücklich, bevor er sich wieder auf den Weg machte.
Die Stunden vergingen. Je tiefer er wanderte, desto dichter wurde der Wald. Das Licht verlor an Kraft, die Schatten wurden länger, kühler, und Pieps fühlte sich wieder kleiner. Geräusche hallten unheimlich zwischen den Bäumen, jedes Knacken ließ ihn zusammenzucken.
„Nur ein Stückchen weiter“, sagte er tapfer, auch wenn seine Beine langsam schwer wurden. Die Sonne stand schon schräg, als er endlich einen Platz für die Nacht entdeckte: eine Höhle am Fuß eines alten, knorrigen Baumes. Dunkel, trocken, geschützt – das perfekte Versteck.
Erleichtert setzte er zum Laufen an. Doch dann erstarrte er.
Vor der Öffnung stand etwas.
Das Licht war hier am Boden schon fast verschwunden. In dem tiefen, schattigen Eingangsbereich der Höhle war nur eine hohe, unbestimmte Silhouette zu erkennen. Lang, schlank, mit zwei Gliedmaßen, die wie gezackte Äste in die Dunkelheit ragten. Das Ding rührte sich nicht, stand regungslos vor dem rettenden Versteck.
Pieps’ Herz schlug bis in die Ohrenspitzen. Es war viel größer als er, wirkte gefährlich und war in der Dämmerung kaum zu erkennen. Wer oder was es auch war – es hatte die Höhle besetzt.
Um Ärger zu vermeiden, drückte Pieps die Laterne fest an sich und wagte keinen Schritt näher. Er änderte die Richtung auf der Stelle. Die Höhle am knorrigen Baum war für diese Nacht gestrichen. Mit einem Gefühl von beklemmender Angst schlich er sich so leise wie möglich an dem unbekannten Wächter vorbei und suchte im finsterer werdenden Wald ein anderes, kleineres Versteck.