Der Pfad im Berg

Pieps wachte auf. Er war müde von dem gestrigen, langen Weg durch das Grasmeer, doch der neue Tag brachte eine leichte, hoffnungsvolle Wärme. Langsam stand er auf und bereitete sich auf den Weiterweg vor. Das tiefe Grollen des Wasserfalls erinnerte ihn schnell daran, wo er sich befand. Er packte seine Sachen, ging zum See und machte sich dort ein wenig frisch.

Die Begegnung im Gischt

Von den Spuren der Vielbeinigen, die er gestern gesehen hatte, war nichts mehr zu finden. Anscheinend hatten Wasser und Wind sie weggespült. Dafür zeigten sich viele andere, merkwürdige Abdrücke im nassen Sand.

Pieps, dessen Neugier ihm immer einen Schritt voraus war, folgte ihnen bis zum Fuße des Wasserfalls. Hier verschwanden die Spuren plötzlich im tosenden Wassergischt. Hatte die Kreatur einfach den Weg ins Wasser genommen?

Ein leichtes Gefühl der Sorge beschlich Pieps. Nicht, dass er Angst hatte, aber ihm wurde bewusst, dass er wieder einmal irgendwelchen Spuren folgte, anstatt den Ausgang der Berge zu suchen. Er wusste, dass ihn diese Neugier noch in große Schwierigkeiten bringen könnte.

„Und… du kleiner Schnüffler? Wem suchst Du hier?“

Eine tiefe Stimme, die fremdartig klang, durchbrach den Lärm des Wasserfalls. Die Stimme war so tief und mächtig, dass selbst das Dröhnen des Wassers sie nicht überdecken konnte.
Pieps zuckte zusammen, sprang auf und drehte sich nervös um. Hatte man ihn gemeint?

„Ja Du… ich spreche mit Dir!“


Diesmal klang die Stimme etwas leiser, bis auf einmal, bevor Pieps reagieren und antworten konnte, eine Kreatur aus dem Gischt des Wasserfalls hervorkam: ein ziemlich großes, mehrbeiniges, krebsartiges Wesen, das einen schimmernden Panzer trug.

Pieps wusste nicht, was er tun sollte. Fliehen? Es war längst zu spät.

„Suchst Du mich, kleiner Schnüffler? Ich sehe, meine Spuren haben dich zu mir geführt. Schön… ich habe nicht viel Besuch hier“, sagte die Kreatur.

Wie es schien, war das ungewöhnliche Wesen freundlicher, als es auf den ersten Blick wirkte. Es war Ramiro, der Einsiedlerkrebs.

Ramiros verlorene Heimat

Pieps‘ anfängliche Scheu wich schnell der Faszination. Er erzählte Ramiro von seiner Reise und der Suche nach einem Weg aus dem Tal.
Ramiro bewegte seinen Panzer langsam.
„Zu steil, ja. Aber du hast Glück, Pieps. Dieser Berg hat eine Narbe. Einen Weg hindurch. Du suchst nach dem Ende dieses Tales, aber ich sage dir: Suche nach dem Anfang der Welt.“

Ramiro erzählte eine Geschichte. „Ich bin von einem Ort gekommen, den wir Der Silberstrand nannten. Als ich klein war, muss ich von dort fortgetragen worden sein, denn ich fand mich eines Morgens einfach am Strand dieses kleinen Sees wieder. Ich weiß nicht, wie ich hierherkam.“

Er seufzte leise, ein Geräusch wie Sand, der über Stein reibt. „Oft habe ich versucht, nach Hause zurückzukehren. Ich bin immer bis zum Eingang dieses Berges gekommen, aber der Weg in der Dunkelheit war zu viel. Ich habe es nie geschafft, hindurchzugehen. Ich weiß nicht einmal, ob Der Silberstrand noch existiert.“

Ein trauriger Schatten huschte über seine Augen, doch er verzog seine Mundwerkzeuge zu einem warmen Ausdruck. „Früher war ich unglücklich darüber. Aber nun, wo ich alt bin, reicht mir dieses Tal. Ich bin glücklich hier am Wasserfall. Aber du, Pieps… du hast das Feuer in dir. Und dieser Weg, den ich dir zeige, er soll zur Weite führen, in die Welt hinaus. Du musst es versuchen. Ich freue mich für dich.“

Diese Geschichte von einer verlorenen Heimat und dem Mut zur Reise traf Pieps im Herzen. Seine Abenteuerlust entflammte mit neuer Intensität.

„Nimm dies“, sagte Ramiro und reichte Pieps die letzten getrockneten Beeren und Kerne, die er hatte. „Es ist das letzte Stück meiner Heimat. Ich bin zu alt und müde für so einen Weg. Ich kann dir nur den Eingang zeigen. Aber du, Pieps, du musst gehen. Der Silberstrand wartet.“

Der Einstieg in die Höhle

Ramiro zeigte Pieps einen breiten Spalt in der Felswand, groß genug, um Pieps von weitem aufzufallen. Es war der Eingang zu einer steinigen Höhle, die sich hinter dem Getöse des Wasserfalls in den Berg fraß.

Allein vor der Dunkelheit stehend, holte Pieps die Osternglocke-Laterne aus seinem Rucksack. Sie funktionierte noch, und das warme Licht war ein beruhigendes Stück Heimat.


Der erste Teil des Weges führte durch die steinige Höhle. Der Boden war rau, unbefestigt und übersät mit herabgefallenen Steinen und Brocken. Die Decke war niedrig, und hie und da hingen kalte Stalaktiten herab. Dank der Laterne fand Pieps den Weg leicht. Mit großer Freude, wieder voranzukommen, wanderte er mehrere Stunden.

Die Schlucht und das Dunkel

Nach dieser Zeit war er am Ausgang angelangt. Der Höhlenausgang war stark von Hängepflanzen und Lianen überwuchert. Pieps kämpfte sich hindurch und trat in eine schmale, offene Schlucht ein, die zwischen himmelhohen Felswänden verlief. Er sah den Himmel, der sich von Hellblau in leuchtendes Gelb und tiefes Rosa verfärbte. Der Sonnenuntergang kündigte an, dass es Zeit war, sich auszuruhen.

Der lange, unbequeme Weg in der Höhle machte sich in Pieps’ Knochen bemerkbar. Die Schlucht selbst war alles andere als friedlich. Ihre Wände waren dicht von Farnen und kleinen Bäumen bewachsen. Hinter jedem Felsvorsprung und in jedem Schatten schien Pieps beobachtet zu werden.


Die letzten Kerne von Ramiro waren verzehrt. In der Schlucht war nichts Essbares zu finden. Wer wusste schon, wie lange dieser Weg noch dauern würde?

Trotz des Hungers suchte Pieps einen Schlafplatz. Er fand einen Baum, dessen Krone tief über den Boden wuchs und ihm ein wenig Schutz vor möglichem Regen und Geborgenheit bot. Als die Dunkelheit hereinbrach, sah Pieps, wie aus der Ferne helle Augenpunkte aus der Dunkelheit heraus auf ihn blickten.

Doch ein noch faszinierenderer Anblick zog ihn in seinen Bann: Direkt über ihm, an einem Ast, hatte eine leuchtende Spinne ihr Nest gebaut. Ihr feines, silbriges Gewebe strahlte in einem sanften, grünen Licht, das fast schon hypnotisch wirkte. Faszinierte von dem magischen Schauspiel, ignorierte Pieps seinen knurrenden Magen und schloss die Augen. Er schlief ein, mit dem Wissen, dass er dem Licht des Silberstrandes nun ein großes Stück näher war.


Abenteuer von Maus Pieps

Der Pfad im Berg

Pieps wachte auf. Er war müde von dem gestrigen, langen Weg durch das Grasmeer, doch der neue Tag brachte eine leichte, hoffnungsvolle Wärme. Langsam stand er auf und bereitete sich Weiter lesen...

Hinter dem Gras

Die unerwartete Begegnung Doch Pieps’ Hoffnung, dass das Kratzen und Zischen aufgegeben hätte, verflog, als die Stille durchbrochen wurde. Es klopfte leise an seine Tür. „Schläfst du, Pieps?“, flüsterte eine Weiter lesen...

Grasmeer der Entscheidung

Der Morgen am Waldrand Pieps erwachte genau dort, wo ihn die Müdigkeit am Abend zuvor überwältigt hatte. Die Sonne kitzelte seine Nase, und die Luft roch kühl und würzig nach Weiter lesen...

Die Wächterin des Waldes

Nachdem die Höhle von dem unheimlichen Wesen besetzt schien, ging Pieps weiter, um einen Platz für die Nacht zu suchen. Es war schon dunkel. Die Wolken, die am Nachmittag aufgezogen Weiter lesen...

Der dunkle Wald

Ein kalter Tropfen glitt über Pieps’ Nase und kitzelte ihn wach. Blinzelnd öffnete er die Augen. Über ihm spannte sich das grüne Dach eines großen Blattes, das ihn in der Weiter lesen...

Laterne des Mutes

Vor langer, langer Zeit, in einem alten, tiefen Wald, wo die Bäume so dicht standen, dass das Sonnenlicht oft nur als goldener Staub auf den Boden fiel, lebte eine kleine Weiter lesen...

Black & White 2025 – NOVEMBER

Im Skulpturenpark Waldfrieden von Tony Cragg findet man natürlich viele seiner eigenen Werke, aber auch spannende Arbeiten anderer Künstler der internationalen Kunstszene. Das ist eine großartige Gelegenheit, um auch andere Positionen und ihre Kunst kennenzulernen.
Klar, nicht alles überzeugt mich – und das muss es auch nicht. Wir haben eben alle unsere Vorlieben und unterschiedlichen Geschmäcker.
Die Skulptur „Immaterielles“ von Andreas Schmitten gehört allerdings ganz klar zur zweiten Gruppe, den Werken, die mich einfach fasziniert haben.


Schon von Weitem zog mich diese Skulptur in ihren Bann. War es die schiere Größe oder doch die makellose, weiße Oberfläche? Anfangs hielt ich sie fälschlicherweise für weißen Marmor. Tatsächlich wirkt dieser Lack leicht, sauber und fast steril – eben immateriell und widersprüchlich zum massiven Material.

Die Skulptur erzählt von jeder Seite eine andere Geschichte. Von vorne wirkt sie wie ein menschlicher Körper, dessen Kopf tief zwischen den Schultern versunken ist. Aber von der Seite (und diese Ansicht hat mir am besten gefallen) sah es für mich aus wie ein Aufschrei, bei dem der Unterkiefer förmlich auf den „Tisch“ gefallen ist! Eine wirklich faszinierende Einsicht.

Wenn man sich dann die anderen Versionen dieses Werkes, „Immaterielles“ von Andreas Schmitten, ansieht – zum Beispiel die Skulptur mit dem gleichen Namen in Frankfurt am Main oder Düsseldorf, bei der der Kopf von drei Armen getragen wird – erkennt man einen klaren Stil: Die makellos weiß lackierte Stahlskulpturen, die von Andreas Schmitten zu Markenzeichen geworden sind.

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Nature Thursday 2025 #44


Noch bis vor kurzen hat es in Wuppertal nur geregnet. Inzwischen hat sich aber das Wetter ein wenig beruhigt. Was nicht heißen soll, das ist besser geworden. Aber zumindest regnet es nicht mehr.
Am Sonntag musste ich warten bis es aufhört zu regnen, kurze Pause konnte ich für einen Spaziergang draußen zu machen. Wer weis wie lange solche herbst Pausen können dauern. Aber es hat gereicht, um eine Runde mit HELIOS Objektiv durch Nordpark zu machen. Glück gehabt. Ich bin trocken geblieben. Paar Stunden später war es wieder windig und regnerisch.
Herbst eben.

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Hinter dem Gras

Die unerwartete Begegnung

Doch Pieps’ Hoffnung, dass das Kratzen und Zischen aufgegeben hätte, verflog, als die Stille durchbrochen wurde. Es klopfte leise an seine Tür.

„Schläfst du, Pieps?“, flüsterte eine Stimme.

Die Tür öffnete sich einen Spalt. Im Licht einer kleinen Lampe, die er in der Hand hielt, stand Elias – im Schlafanzug und mit Schlafmütze. Er wirkte beunruhigt, ja fast ein wenig unglücklich, Pieps wecken zu müssen.

„Nein! Ich bin wach geworden. Irgendetwas war am Fenster“, berichtete Pieps atemlos, doch Elias unterbrach ihn kurz.

„Das war kein Albtraum. Jemand will dich unbedingt sehen.“

„Jetzt? Mitten in der Nacht?“, Pieps war überrascht. Wer sollte ihn, fernab all seiner Freunde und Familie, mitten in der Nacht treffen wollen?

„Ja. Zieh dich an und komm vor die Tür. Aber erschrick nicht. Er ist ein Freund. Er wird dir nichts tun… aber du wirst es gleich selbst sehen“, sagte Elias, schloss die Tür wieder und verschwand.

Pieps war überrumpelt und wusste nicht, was er sagen sollte. Doch seine Neugier auf das Unbekannte überwog trotz eines kleinen Anflugs von Angst. Er zog sich rasch an und trat mit einem entschlossenen Schritt vor das Haus.

Draußen standen Elias und Ellara. Sie unterhielten sich flüsternd mit…

„Oh! Was ist das denn?“, Pieps erstarrte vor Schreck.

Ein riesiger Kopf mit zwei Augen und einem so großen Maul, dass es Pieps auf der Stelle hätte verschlucken können.

„Tss, tss, Pieps“, zischte das Wesen ihn an und versuchte, ihn mit einer langen, zweigeteilten Zunge zu erreichen. „Herzlich willkommen!“

„Ich weiß, es ist mitten in der Nacht, aber…“

Pieps war überfordert. Alles ging ihm zu schnell. Erst vor wenigen Stunden hatte er die ersten Schritte im Grasmeer gemacht, neue Freunde gefunden und einen Kampf gegen einen Greifvogel gewonnen. Und nun das: Ein Schlangenwesen, vor dem Azakea ihn gewarnt hatte. Aber anscheinend sind nicht alle Schlangen gefährlich. Endlich wich die anfängliche Schockstarre. Er machte einen Schritt näher, um das Tier genauer zu betrachten.


„Ich bin Eduardo, von den Äskulapnattern“, stellte es sich vor und kam näher. So riesig, wie Pieps es zunächst wahrgenommen hatte, war es nicht, aber immer noch ziemlich lang. Es war das längste Lebewesen, das er je gesehen hatte.

„Lieber Pieps… du musst verschwinden“, sagte Eduardo unvermittelt.

„Verschwinden? Wie meinst du das?“, Pieps war irritiert. Er wollte sich bei Familie Grasgrün ausruhen und erst morgen weiterziehen.

„Du musst sofort verschwinden. Das ganze Grasmeer redet schon über dich und wie du Elias das Leben gerettet hast“, zischte Eduardo weiter. „Nur der Falkenpeter… der ist stinksauer auf dich. Seine Ehre hat stark gelitten. Die Hälfte der Bewohner macht sich schon heute lustig über ihn.“

Wie war das möglich? Es war doch erst vor ein paar Stunden passiert! Anscheinend funktionierte die Stillepost in dieser Gesellschaft wirklich gut.

„Der Falkenpeter wird dich jagen. Er weiß, wo du schläfst… aber seine Würde erlaubt es ihm nicht, den Familienfrieden zu stören. Deshalb wird er auf dich warten, sobald du weiterziehst“, erzählte Eduardo ohne Pause. Mit kurzem Atem, aber leiser Stimme versuchte er, Pieps zu warnen. „Wenn du jetzt gehst, hast du eine Chance, unbemerkt dem Falkenpeter zu entwischen.“

In diesem Moment kam Ellara aus dem Gras. In ihren Händen trug sie ein Päckchen, das in großen Blättern verpackt war.

„Pieps! Warte nicht! Geh, bevor die Sonne das Grasmeer erhellt und das Leben erweckt. Jetzt hast du noch die Chance, dein Ziel unbeschadet zu erreichen.“

So hatte Pieps sich den Abschied nicht vorgestellt. Aber sie hatten alle recht. Die Nacht würde noch ein paar Stunden dauern – genug Zeit, um die Gefahrenzone zu verlassen.

„Liebe Ellara. Lieber Elias… ich danke euch für alles.“

„Pieps! Nicht du sollst danken. Hast du vergessen? Wir schulden dir Dank und werden dich in Erinnerung behalten.“

Pieps zog seine Schuhe an, nahm seinen Hut und Rucksack.

„Eduardo… ich danke auch dir“, drehte sich Pieps zu der Schlange. „Schade, dass wir so wenig Zeit hatten. Vielleicht treffen wir uns irgendwann wieder… dann werden wir uns länger unterhalten können.“

Pieps sprach und spürte, wie ihm zwei kleine Tränen über die Wangen liefen. Er hatte sich bei der Familie Grasgrün so wohlgefühlt und musste sie nun so schnell verlassen, ohne sich von den Kleinen verabschieden zu können.

„Grüßt mir noch die Kleinen!“, sagte er am Ende und lief los, bevor er hinter dem nächsten Grashalm verschwand.

Die Flucht durch die Nacht

Der erste Teil der Flucht war von gespannter Stille geprägt. Jeder Windhauch, jedes Rascheln im Gras ließ Pieps zusammenzucken. Er lief nicht, er schlich – gebückt, um im Schutz der hohen Halme zu bleiben. Die Dunkelheit war sein größter Verbündeter, doch zugleich eine ständige Quelle der Angst. Er musste sich auf sein Gehör verlassen, auf das ferne Rauschen des Windes, um nicht vom Weg abzukommen. Immer wieder glaubte er, das ferne, scharfe Auge des Falkenpeters über sich kreisen zu sehen, aber es war nur die Dunkelheit, die ihm Streiche spielte.

Doch als er sich tiefer in die Nacht wagte, wagte Pieps es, kurz innezuhalten und den Blick nach oben zu richten. Über ihm spannte sich der Himmel in einer unvorstellbaren Tiefe auf – ein Meer aus schwarzem Samt, besprenkelt mit funkelnden Diamanten. Es war ein Augenblick der erhabenen Schönheit, der ihm paradoxerweise Mut und Trost spendete.

Die Stunden verrannen langsam. Die Kühle der Nacht kroch ihm durch die Kleidung, aber die Anspannung hielt ihn wach. Irgendwann wich die tiefste Schwärze einem grauen Morgengrauen. Mit dem ersten schwachen Licht wurde sein Weg sicherer, aber auch gefährlicher, denn jetzt konnte ihn auch der Falke besser sehen.

Der Tag brach langsam an. Stunden waren vergangen, und Pieps marschierte munter weiter. Die Landschaft veränderte sich jedoch nicht wirklich. Immer wieder die gleichen hochstehenden Grashalme, hier und da ein paar Blumen und überall das Gezwitscher von Vögeln. Er hörte sie schon, seit es hell geworden war – mehrere, dutzende verschiedene Zwitscherlaute, als hätten sie Pieps begrüßen wollen. Und trotzdem, trotz dieser friedlichen Momente, trug Pieps die Gefahr, die vom Falkenpeter ausging, im Hinterkopf. Deswegen versuchte Pieps, die Gegend so schnell wie möglich zu verlassen. So weit wie es ging…
„Guten Morgen, Pieps“, hörte Pieps auf einmal eine leise Begrüßung. Die Stimme, die er noch nie gehört hatte, klang, als hätte der Wind selbst mit ihm gesprochen. Hatte er sich verhört? Pieps drehte sich um. „Guten Morgen, Pieps… hier… hier oben“, meldete sich die Stimme wieder. Pieps drehte sich erneut um und schaute ein wenig nach oben…


Es war ein wunderschöner kleiner, blauer Schmetterling, der knapp über einem Grashalm schwebte. Ihre Flügel glitzerten im frühen Sonnenlicht. „Ich bin Fibi“, stellte sie sich vor. „Gute Bekannte der Grasgrüns. Ich war schon gestern Abend da, als du dich ausgeruht hast.“

„Guten Morgen, Fibi“, antwortete Pieps erleichtert. Es tat gut, inmitten der Anspannung ein freundliches Gesicht zu sehen. „Kann ich dir irgendwie helfen?“

Fibi schwebte näher. „Nein, du bist derjenige, dem geholfen werden muss! Ellara hat sich große Sorgen gemacht, als sie heute Morgen dein leeres Bett sah und wusste, dass du mitten in der Nacht gegangen bist. Sie hat mir zugewinkt – ich bin seit Tagesanbruch auf der Suche nach dir, um nach dem Rechten zu sehen.“

Das warme Gefühl von Zuneigung, das ihn schon kurz berührt hatte, wurde nun stärker. Pieps erzählte ihr kurz von dem Besuch von Eduardo, dem Äskulapnatter.

Fibi lachte leise, ein Geräusch wie das Zusammentreffen von Grashalmen. „Ach, Eduardo! Er ist dramatisch, aber er meint es gut. Er ist einer der Gründe, warum Ellara heute beruhigt ist.“ Sie begleitete Pieps nun im langsamen Schwebeflug, während er zügig weiter marschierte.

„Sie hat mir berichtet, wie tapfer du warst, Pieps. Das ganze Grasmeer redet davon. Und ich habe Neuigkeiten, die dir helfen werden“, flüsterte Fibi. „Der Falkenpeter ist zwar stinksauer, wie Eduardo schon sagte, aber er hat aufgegeben.“

Pieps hielt überrascht inne. „Aufgegeben? Aber wieso?“

„Er hat gehört, dass du verschwunden bist, dass du über Nacht geflohen bist. Seine Ehre erlaubt es ihm nicht, eine so weite und langwierige Suche in dieser offenen Steppe zu beginnen“, erklärte Fibi. „Er betrachtet es als Feigheit deinerseits und meint, ein Feigling sei seiner Jagd nicht würdig. Er ist wieder in seinem Revier. Du bist sicher, Pieps.“

Die Worte trafen Pieps wie ein warmer, entspannender Regen. Ein riesiger Stein fiel ihm vom Herzen. Die permanente Anspannung wich einer tiefen, fast schmerzhaften Erleichterung.

„Trotzdem“, fuhr Fibi fort, während sie ihm den Weg zwischen zwei besonders dichten Grashalmen zeigte, „hast du gut daran getan, die Grenze schnellstmöglich zu erreichen. Der Falkenpeter ist stolz, und sein Groll wird nicht einfach verfliegen.“

Sie begleiteten sich noch eine Weile, während Fibi ihm Geschichten über die Eidechsen und die kleinen Abenteuer im Grasmeer erzählte. Die Landschaft änderte sich merklich. Die Gräser wurden lichter, der Boden steiniger und härter. Die Luft war nun trocken und staubig.

„Hier muss ich dich leider verlassen, Pieps“, sagte Fibi, als die Grashalme endeten. „Ich kann mich im Felsmeer nicht verstecken. Aber jetzt, wo du weißt, dass du nicht mehr gejagt wirst, kannst du deine Reise genissen. Pass auf dich auf!“

Pieps fühlte sich, als würde er einen lieben Freund zurücklassen. „Danke, Fibi. Grüß mir Ellara und Elias und sag ihnen, ich werde sie nie vergessen.“

Mit einem letzten, funkelnden Flügelschlag stieg Fibi in die Höhe und segelte zurück in das grüne Meer, während Pieps, erschöpft, aber nun innerlich ruhig und zentriert, die Grenze erreichte.

Die Schwelle zum Unbekannten

Vor ihm tat sich die Landschaft abrupt auf: eine felsige Einöde. Zuerst nur kleine Steine und ein paar widerstandsfähige Pflanzen, doch dann eine steil aufragende Felsformation, die sich wie eine uneinnehmbare Mauer entlang der Grenze erstreckte.

Erschöpft erreichte Pieps den Fuß der Felsen. Seine Beine taten ihm von den stundenlangen Märschen in der Nacht und am Vormittag wirklich weh. Er spürte die Anstrengung in jedem Zentimeter seines kleinen Körpers. Doch hier, in der prallen Sonne, auf den bereits stark aufgeheizten Steinen, wäre eine Pause alles andere als angenehm. Die ungeschützte, heiße Landschaft wirkte auf Pieps gefährlich und abweisend.

„Vielleicht hinter der riesigen Wand“, dachte Pieps und hob den Blick zu den beiden gewaltigen Felsmassen, die vor ihm aufragten.

Dazwischen führte ein schmaler, unscheinbarer Weg hindurch. Und tatsächlich: weiter hinten, wo der Weg in die Tiefe zwischen den Bergen führte, ließen ein paar Bäume die Stelle vielversprechend für eine Pause erscheinen.

Mit neuer Hoffnung marschierte Pieps auf den Durchgang zu. Durch die Felsspalte hindurch fand er den Zugang zu einem kleinen, versteckten Tal. Direkt am Eingang erstreckte sich eine wunderschöne Wiese und das helle Rauschen verriet sofort, woher die Kühle kam: Ein kleiner Wasserfall stürzte in einen kristallklaren See. Die kühle Brise des Wasserfalls spürte Pieps schon hier, an den Füßen des Felsspaltes.


Hier, dachte er, hier werde ich meine Pause machen.

Das ist der perfekte Ort, um die Beine abzukühlen, sich für die Nacht vorzubereiten und die dringend benötigten Kräfte für die Überquerung der Berge zu sammeln.

Mit einem tiefen Atemzug, der die kühle, feuchte Luft füllte, stemmte Pieps den Wanderstock in den Boden. Er war allein, aber nicht ängstlich. Er machte die ersten Schritte auf die Wiese zu. Das Rauschen des Wassers schien ihn willkommen zu heißen.

Doch dann, gerade als seine Zehen das weiche, feuchte Gras berührten, hielt Pieps inne. Sein Blick fiel auf den feinen Sandstrand neben dem See, direkt unterhalb des Wasserfalls. Dort, wo das Wasser den Sand geglättet hatte, sah er einen Abdruck.

Es war kein Vogelfuß, kein Käferpfad und auch keine Eidechsen-Spur. Es war ein winziger, klar definierter Fußabdruck – fast wie seiner, aber mit fünf gleichmäßigen Zehen und einem runden Ballen. Er war eindeutig frisch.

Pieps’ Neugier durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag. Er war nicht der Erste, der dieses Tal gefunden hatte.

Erleichterung und Gefahr lagen hier dicht beieinander. Wer hatte diesen versteckten Ort sonst noch betreten?

Abenteuer von Maus Pieps

Der Pfad im Berg

Pieps wachte auf. Er war müde von dem gestrigen, langen Weg durch das Grasmeer, doch der neue Tag brachte eine leichte, hoffnungsvolle Wärme. Langsam stand er auf und bereitete sich Weiter lesen...

Hinter dem Gras

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Grasmeer der Entscheidung

Der Morgen am Waldrand Pieps erwachte genau dort, wo ihn die Müdigkeit am Abend zuvor überwältigt hatte. Die Sonne kitzelte seine Nase, und die Luft roch kühl und würzig nach Weiter lesen...

Die Wächterin des Waldes

Nachdem die Höhle von dem unheimlichen Wesen besetzt schien, ging Pieps weiter, um einen Platz für die Nacht zu suchen. Es war schon dunkel. Die Wolken, die am Nachmittag aufgezogen Weiter lesen...

Der dunkle Wald

Ein kalter Tropfen glitt über Pieps’ Nase und kitzelte ihn wach. Blinzelnd öffnete er die Augen. Über ihm spannte sich das grüne Dach eines großen Blattes, das ihn in der Weiter lesen...

Laterne des Mutes

Vor langer, langer Zeit, in einem alten, tiefen Wald, wo die Bäume so dicht standen, dass das Sonnenlicht oft nur als goldener Staub auf den Boden fiel, lebte eine kleine Weiter lesen...

Nature Thursday 2025 #43


Mein Beitrag für Nature Thursday 2025 #43

Wenn sie den Himmel in dieser perfekten V-Formation durchqueren, dann ist es ein untrügliches Zeichen: Es ist so weit, der Winter naht!

Diese majestätischen Zugvögel legen auf ihrer Reise oft Tausende von Kilometern zurück – von Skandinavien und Norddeutschland bis nach Spanien oder Nordafrika. Sie nutzen die V-Formation nicht ohne Grund: Sie sparen dadurch Energie, da der vorderste Vogel den Luftwiderstand bricht und die Nachfolgenden im Aufwind fliegen. Ein beeindruckendes Beispiel für Organisation und Voraussicht in der Natur!

Die Vögel machen sich also nicht überstürzt, sondern organisiert und effizient auf den Weg, um für die kommenden Monate bestens gerüstet zu sein.

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Der erste Schuss nach zwei Jahren: Mein Panorama-Comeback

Fast zwei Jahre ist es her, seit ich das letzte Mal ein Panorama zusammengesetzt habe. Meine Gesundheit hat letztes Jahr vieles aus dem Gleichgewicht gebracht. Jetzt muss ich mühsam die Scherbenhaufen zusammensammeln. Vieles ist in dieser Zeit liegen geblieben, aber alles nur auf die Gesundheit abzuwälzen, wäre auch nicht richtig. Schwamm drüber – ich bin mir sicher, es wird wieder Spaß machen, czoczo.de erneut auf die Beine zu stellen! Und genau das beginnt mit meinem Panoramafotografie Comeback.

Ihr habt bestimmt schon meine neue Vorliebe bemerkt: Der Versuch, mich als Erzähler zu etablieren, macht mir richtig Spaß. Leider verbraucht es mehr Zeit, als ich anfangs dachte. Auch die Arbeit, die hinzugekommen ist, lässt mir langsam die Zeit fehlen.

Aber ich nutze die verbleibende Zeit intensiver als noch vor ein paar Monaten. Anscheinend ist mir bewusster geworden, dass verlorene Zeit unwiederbringlich ist. Im wahren Leben existiert kein Neustart. Deswegen werde ich mich wieder neu sammeln und nicht länger das Wohnzimmersofa besetzen – es geht jetzt ans Eingemachte.

Der Weg zum Comeback

Eine positive Veränderung, die ich bemerkt habe, ist das Schreiben. Ja, ich schreibe wieder mehr und ich genieße es. Leider ist meine Grammatik trotzdem nicht besser geworden. Aber dafür lasse ich meinen persönlichen Korrektor, die KI, meine Texte überprüfen. Vielleicht sind diese abrupten Verbesserungen der Texte für euch ungewohnt (für mich auch 😊 – manchmal verstehe ich selbst ein paar Stunden später, was ich da geschrieben habe!).


Auch die Nutzung des Fotoapparats anstelle eines Handys hat sich etwas verbessert: Zurück zu den Wurzeln, wie man so schön sagt. Das Handy hat durch das Schreiben jetzt dafür mehr zu tun. Die Kurzgeschichten werden nämlich meistens auf dem Handy oder Tablet im Wohnzimmer oder Park geschrieben. Mit dem Park ist allerdings langsam Schluss für dieses Jahr.

Wie ihr seht: czoczo.de ist immer noch nicht tot!

Seit Samstag trage ich nicht nur die Kamera, sondern auch das Stativ. Und wenn man das Stativ mit sich trägt, muss natürlich auch der Nodalpunkt-Adapter dabei sein. So habe ich meinen letzten Ausflug zum Skulpturenpark genutzt, um mich wieder in der Panoramafotografie auszuprobieren. Wahnsinn, wie lange das her ist! Ich musste alles von Neuem lernen. Die Griffe, die man früher im Schlaf gemacht hat, verursachten mir am Samstag richtig viel Anstrengung – und dazu noch die vielen Menschen. Am Wochenende werde ich den Skulpturenpark bei schönem Wetter also lieber meiden.

Aber jetzt Schluss mit dem Erzählen: Das erste Panorama seit zwei Jahren ist vielleicht nicht das Meisterwerk, aber trotzdem ist es das schönste in 2025, und das will doch etwas heißen.

Die Panoramaaufnahme ist fertig … und es ist noch schlimmer als befürchtet. Ich bin voll sauer, dass ich das so versemmelt habe. Hoffentlich bekomme ich bei diesem Herbst noch einmal solch eine Gelegenheit, die Aufnahme zu wiederholen.

Grasmeer der Entscheidung

Der Morgen am Waldrand

Pieps erwachte genau dort, wo ihn die Müdigkeit am Abend zuvor überwältigt hatte. Die Sonne kitzelte seine Nase, und die Luft roch kühl und würzig nach frischem Tau. Seine Füße steckten noch in den Stiefeln, und sein prall gefüllter Rucksack hatte als perfektes Kopfkissen gedient.

„Was wohl Mama dazu gesagt hätte?“, dachte er lächelnd, während er sich streckte.

Doch als er den Kopf hob, blieb ihm fast der Atem stehen. Vor ihm breitete sich das Grasmeer aus – ein endloses Meer aus schimmernden, grünen Halmen, die sich im Wind wie sanfte Wellen wiegten. Hoch über ihm funkelte der Himmel in einem zarten, unschuldigen Morgenblau.

„Das ist es also“, flüsterte Pieps ehrfürchtig. „Das große Grasmeer.“

Er schnallte seinen Rucksack fest, nahm den Wanderstock in die Pfote und machte sich auf den Weg – mit den Worten der weisen Azaela im Ohr, die nun wichtiger klangen denn je:

„Geh langsam. Mach keine Geräusche. Und bleib immer aufmerksam.“

Begegnung mit Dunggrün

Lange wanderte Pieps durch das hohe, sich über ihm schließende Gras. Der Boden war weich und voller flüchtiger Spuren kleiner Tiere. Die Sonne wärmte ihm den Rücken, und der Wind sang leise in den Halmen.
Da hörte er plötzlich eine tiefe, freundliche Stimme, die ihn fast stolpern ließ: „Guten Morgen, kleiner Wanderer! Wohin des Weges?“
Vor ihm balancierte eine Mistkäferfamilie eine glänzende Erdkugel einen Grashalm hinauf. Herr Dunggrün, seine Frau und zwei kugelrunde Kinder arbeiteten harmonisch zusammen.
Pieps musste lachen. „Ich bin auf der Durchreise. Ich möchte das Grasmeer überqueren.“
Herr Dunggrün nickte verständnisvoll. „Dann pass gut auf dich auf. Hier draußen gibt es viele Augen, die nach einem schnellen Mittagssnack suchen.“
Sie lachten alle, doch in Herrn Dunggrüns Worten schwang ein ernster Unterton mit. Pieps blieb eine Weile, hörte den faszinierenden Erzählungen der Käferfamilie zu – von Stürmen, die wie Riesen brüllen, und der hohen Kunst, eine Kugel zu rollen, ohne sie in der Rinne zu verlieren. Schließlich trennten sich ihre Wege.

„Viel Glück, kleiner Freund! Und sei vorsichtig!“, rief Frau Dunggrün, bevor sie zwischen den Halmen verschwanden.
Pieps winkte ihnen nach. Wie freundlich die Fremden waren, dachte er und zog weiter in die Stille des Grases.

Der silberne Spiegel

Nach dem Regen der letzten Tage duftete alles intensiv und lebendig. Das Licht tanzte über die verbliebenen Tropfen, wodurch das gesamte Grasmeer in einem magischen Glitzern lag.

Bald entdeckte Pieps eine große Regenpfütze, die in der Sonne wie flüssiges Silber glänzte. Er beugte sich hinunter, betrachtete sein Spiegelbild und grinste. „Na, Pieps“, sagte er zu sich selbst, „du siehst ganz schön zerzaust aus.“

Er trank vorsichtig ein paar Tropfen, ruhte sich aus und lauschte dem leisen Rascheln des Windes. Es war friedlich, zu friedlich, so friedlich, dass er beinahe vergaß, wie ungeschützt er war. Hier draußen, allein im offenen Gras, war die Nacht kein guter Freund. Also stand er auf. Ein schneller Blick auf die Sonne, dann zog er weiter.

Der Schatten über dem Grasmeer

Ein leises, scharfes Pfeifen ließ ihn plötzlich erstarren. Ein dunkler, riesiger Schatten glitt lautlos über ihn hinweg – groß, schnell, bedrohlich.

Ein Vogel! Ein Raubvogel!

Pieps duckte sich instinktiv zwischen die nächsten Halme. Azaelas Stimme war nun ein scharfer Befehl in seinem Kopf:

    „Bleib in Bewegung. Lass dich nicht finden.“

Aber der Schatten blieb. Dann kam der Schrei – scharf, kurz und triumphierend – gefolgt von einem Flattern, das so gewaltig war, dass die Grashalme um ihn herum bebten.
Pieps’ Herz raste. Er wagte kaum zu atmen.

Dann hörte er ein leises Quieken. Jemand war gefangen! Die Angst der Beute schnürte ihm die Kehle zu.

Er zögerte nur einen Augenblick, aber dieser eine Augenblick war genug. Ein kleiner Funke des Mutes entfachte in seiner Brust. Mit erhobenem Wanderstock – der sich in seiner Hand wie ein Schwert anfühlte – sprang er aus seinem Versteck und schrie mit aller Kraft, die seine kleinen Lungen hergaben: „Lass sie los!“


Der riesige Vogel, völlig überrascht von dem winzigen, unerwarteten Angreifer, flatterte erschrocken zurück. Mit einem wütenden Kreischen erhob er sich in die Luft – und ließ seine Beute fallen.

Pieps rannte zu der Eidechse, die reglos dalag. Ihre Seite war aufgeschlitzt, aber sie atmete. Behutsam legte er ein breites Blatt auf die Wunde.

„Alles gut“, flüsterte er. „Ich helfe dir.“

Die Eidechse öffnete mühsam die Augen. „Danke… ich bin Elias Grasgrün. Wir müssen hier verschwinden, mein Haus ist nicht weit von hier.“


„Dann bringe ich dich dorthin“, sagte Pieps entschlossen.

Ein Zuhause im Grasmeer

Nach einer Weile erreichten sie ein kleines, gemütliches Haus, versteckt zwischen dicken Gräsern. Davor spielten drei kleine Eidechsen, und in der Tür stand Frau Elara Grasgrün.

„Elias!“ rief sie und lief ihm entgegen. „Du bist verletzt!“

„Nur ein Kratzer“, sagte Herr Grasgrün tapfer und deutete auf Pieps. „Dieser kleine Freund hat mir das Leben gerettet.“

Frau Grasgrün sah Pieps erstaunt an, dann lächelte sie warm. „Dann bist du unser Retter! Komm herein, du musst müde und hungrig sein.“

Drinnen war es hell und heimelig. Auf dem Tisch dampfte Kräutertee. Die drei Kinder – Lina, Laro und Lumi – setzten sich neugierig zu Pieps.

„Bist du ein echter Abenteurer?“ fragte Lumi mit großen Augen.

Pieps grinste. „Vielleicht ein halber. Ich wollte einfach nur sehen, wie groß die Welt wirklich ist.“

Sie lachten. Als Pieps von Azaela erzählte, leuchteten die Augen von Frau Grasgrün auf. „Azaela? Aber natürlich kennen wir sie! Wir wollten sie längst besuchen, doch wir waren wegen der Kinder krank.“

Draußen ging die Sonne unter, und Glühwürmchen begannen zu tanzen. Das Grasmeer wurde zu einem Meer aus goldenen Punkten.

„Bleib heute Nacht bei uns“, bat Herr Grasgrün. „Der Weg ist morgen auch noch da.“

Pieps nickte dankbar. Er fühlte sich zum ersten Mal seit seiner Abreise wieder geborgen.

Der Abend im Grasmeer
Später, als die kleinen Eidechsen schon in ihren Betten lagen, klopfte es leise an Pieps’ Tür. Lina lugte herein. „Pieps… erzählst du uns noch eine Geschichte?“

Pieps lächelte. „Nur eine kleine.“ Er setzte sich ans Bett und begann zu erzählen – von einer kleinen Maus, die von einer fernen dunklen Wald kam und eines Tages den Mut fand, die Welt zu sehen.

Als er den Raum verließ, schliefen sie alle.


Draußen saßen Herr und Frau Grasgrün auf der Bank. Der Wind war still, der Himmel überwältigend voller Sterne. Pieps setzte sich zu ihnen.

„Danke“, sagte Frau Grasgrün leise. „Dass du Elias gerettet hast.“

„Ich habe nur getan, was ich konnte“, flüsterte Pieps.

„Manchmal,“ sagte Herr Grasgrün, „sind die Kleinsten die Mutigsten.“

Pieps blickte in den Himmel. Er dachte an seine Mutter. Er spürte ein warmes Ziehen im Herzen – Heimweh und Glück zugleich.

„Es ist schön hier“, flüsterte er. „Fast so, als wäre ich zu Hause.“

Frau Grasgrün nickte. „Vielleicht ist jedes gute Herz ein Zuhause, Pieps. Und du trägst deins immer bei dir.“

Er lächelte müde. Der Mond glühte tief über dem Grasmeer.

Pieps legte sich hin, zog die Decke bis zur Nase und murmelte: „Gute Nacht, Mama… ich bin ganz nah bei dir.“

Er schlief ein – mit einem Lächeln, das von Träumen und Liebe erzählte…

… doch tief in der Nacht riss ihn ein Geräusch aus dem Schlaf. Es war kein Wind, kein Tier. Es war ein leises, schleifendes Kratzen direkt unter dem Haus, begleitet von einem flüsternden Zischen.
Pieps richtete sich auf, die Decke fiel zu Boden. Er hielt den Atem an und lauschte.
Ein Schatten huschte am Fenster vorbei – länger und viel dunkler als alles, was er bisher gesehen hatte. Das Zischen wurde lauter, fordernder. Es roch nach feuchter Erde und Gefahr.
Die Worte von Herr Dunggrün schossen ihm in den Kopf: „Hier draußen gibt es viele Augen, die nach einem schnellen Mittagssnack suchen.“
Pieps’ Herz hämmerte gegen seine Rippen. Das war etwas anderes. Etwas, das auf dem Boden kroch. Er schwang seine Beine aus dem Bett und griff nach seinem Wanderstock.

Abenteuer von Maus Pieps

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